Dienstag, 26. Oktober 2010

Oh what can I do? I'm feeling blue - Baby's in Black (Rezension)


Astrid Kichherr - Selbstporträt
"Ich sah diese Gesichter auf der Bühne und im selben Moment fiel mein bisheriger Lebensentwurf in sich zusammen und etwas Neues trat an seine Stelle. Zuerst sah ich John, dann die anderen ... Und schließlich Stuart. Er hatte dieses gewisse Etwas, das mir sofort ins Auge sprang – und von dem ich nicht glauben konnte, dass ich es gefunden hatte."
– Astrid Kirchherr

Astrid Kirchherr ist Teil eines Mythos. Sie ist mitverantwortlich dafür, daß die Beatles Pilzkopffrisuren tragen werden. Als sie ihrem damaligen Freund, Stuart Sutcliffe, als erstem einen Pilzkopf schneidet, lacht John Lennon noch darüber. Kirchherr hat die ersten professionellen Fotos von den Beatles geschossen. Diese Fotos sind aber auch der Grund, warum sie mit der Fotographie brach. Es störte sie, immer nur als Beatles-Fotographin wahrgenommen zu werden.  Und sie war bzw. ist mit den Beatles befreundet. "Ich bin von Anfang an sehr stolz auf meine Freunde. Für mich sind sie nicht die Beatles, sie sind meine Freunde."


Ein weiterer Protagonist des Comics Baby's in Black von Arne Bellsdorf ist Klaus Voormann - der älteste Freund der Beatles. Er hat diverse Covers designed u.a. Mando Diao, Turbonegro, Trio, Jimi Hendrix und natürlich die Beatles. Er ist verantwortlich für das Revolver-Design. Außerdem spielte er in Manfred Man Band und in der Band von John Lennon und Yoko Ono Plastic Ono Band. Er hat als music scout  in den achtziger Jahren Trio entdeckt.
Klaus Voorman - Selbstporträt
Im Oktober 1960 bei einem nächtlichen Streifzug über die Reeperbahn, landet Klaus im Kaiserkeller. Er entdeckt Rock'n'Roll, er entdeckt die Band, die später als The Beatles Musikgeschichte schreiben werden. Völlig fasziniert, geradezu atemlos klingelt er nachts bei seiner Freundin Astrid Kirchherr und erzählt ihr, sie müsse unbedingt mitkommen und sich ansehen, was diese Menschen dort auf der Bühne machen. Tatsächlich folgt Astrid ihm an einem der nächsten Abende und auch sie wird mitgerissen von der Musik. Aber nicht nur die Musik, sie scheint sich auch auf den ersten Blick in Stuart Sutcliffe, den damaligen Bassist der Beatles, zu verlieben.

Hamburg painting no. 2, Stuart Sutcliffe
Stuart Sutcliffe wird Astrid Kirchherr heiraten. Er verläßt die Beatles noch bevor diese Erfolg haben, um sich ganz auf die Malerei zu konzentrieren. Sutcliffe war nur bei den Beatles, weil ihn sein Freund John Lennon, den er seit seinen Tagen auf dem Liverpooler College Of Art kannte, darum gebeten hatte. Er ist der fünfte Beatle. Sutcliffe verstirbt im Jahr 1962 in Folge einer Hirnblutung. Die Liebe zwischen Sutcliffe und Kirchherr scheint magisch gewesen zu sein. Pete Best, der damals noch Schlagzeuger bei den Beatles war, bevor Ringo Starr ihn ersetzen sollte, sagt, daß der Beginn dieser Beziehung wie ""one of those fairy stories" war.



Arne Bellsdorf erzählt in dieser Graphic Novel, die bei Reprodukt erschienen ist, die Geschichte einer Liebe. Die Geschichte von Astrid Kirchherr und Stuart Sutcliffe. Und natürlich über die frühen Beatles und den Beginn ihrer Karriere. Gleichzeitig bietet diese Novel aber auch einen Einblick in die Hamburger Subkultur der 60er Jahre. Am Rande blitzen die Konflikte zwischen Rock'n'Roll-Jüngern und der künstlerischen Bohème auf, die sich für Jazz und Existenzisalismus interessierten. Bellsdorf erzählt die Geschichte in starken, kontrastreichen schwarz/weißen, melancholischen Bildern. Er selber dazu in einem Interview: "Eben weil Schwarz-Weiß genau ihre Welt war. Sie hatte dieses Ideal, sich reduziert in Schwarz zu kleiden. Das war ihre Welt und das läßt sich einfach gut in eine Zeichnung übersetzen, die mit diesen Kontrasten Hell/Dunkel arbeitet. Es war total naheliegend, daß ich das so umsetze wie einen Schwarz/Weiß-Film von Jean Cocteau."
Bellsdorf ist es gelungen, den Moment der Liebe auf den ersten Blick graphisch einzufangen. Als Leser mußte ich ein wenig schmunzelen als Astrid sagt, nachdem sie von Klaus gefragt wird, ob er ihr zuviel in punkto Beatles versprochen hätte:  "Nicht ganz. Er [Stuart Sutcliffe] sieht viel besser aus James Dean." Dabei sind es doch nur Musiker, die in einer Kaschemme spielen und dabei im Fall von Sutcliffe auch noch eine Sonnenbrille tragen. Also eigentlich etwas dämlich.  Und immer wieder diese Blicke, die das gegenseitige Interesse der Beiden bekunden, man meint, man ist dabei, wenn man sich die Zeichnungen ansieht. Die graphische Umsetzung der Nachricht, dass Sutcliffe in Folge seiner Gehirnblutung ins Krankenhaus muß, hat Bellsdorf eindrucksvoll gelöst. Die Sprechblasen um Kirchherr bleiben leer. Wie in Trance scheint sie, als sie nach Hause eilt, um Sutcliffe beizustehen.  Bellsdorf: "Gerade der Schluß ist eine Sache, die schwierig zu erzählen ist. Weil es ja eigentlich ein harter Einschnitt ist. Dieser Moment, wenn jemand aus dem Leben gerissen wird, das ist eine Sache, die ich selber nicht erlebt habe und die ich mir einfach so vorgestellt habe, dass es ein Moment der Sprachlosigkeit ist." Aber eben auch ein Moment der Entfremdung von der Realität, der Isolation, der völligen Hilflosigkeit.


Sutcliffe und Kirchherr
"When I think about it now, with hindsight, those feelings I had with Stuart - of love - were the strongest I have ever had in my life. I don’t know how to explain it … It was so intense that sometimes it frightened me."
— Astrid Kirchherr

Heurtebise: "Ich verrate Ihnen das Geheimnis aller Geheimnisse... Die Spiegel sind die Tore, durch die der Tod  kommt und geht. Sagen Sie es niemanden weiter. Und dann noch: Betrachten Sie sich Ihr Leben lang im Spiegel, und Sie sehen den Tod arbeiten wie Bienen in einem gläsernen Bienenstock." 
- Jean Cocteau, "Orphée"







In diesem Sinne: Books not Sex! 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen