Freitag, 6. Mai 2011

you need to draw me a fat animal - Dresden Dolls & Fucked Up



Amanda Palmer, Dresden Dolls, 2006





Pink Eyes, Fucked Up, 2006




Gronau. Wo zum Teufel liegt eigentlich Gronau? Wie Udo Lindenberg kommt daher? Ach - deswegen gibt es da ein Rock und Pop-Museum? - Der Besuch von Lehrveranstaltung an der Universität trägt in der Regel dazu bei, daß man a. seinen Horizont erweitert, b. kreativ in der Gestaltung von diversen Heftseiten wird oder c. völlige Desillusionierung bzgl. des geistigen Horziontes von diversen Mitstudierenden erleidet. Glücklicherweise war mein damaliges Geschichtsseminar, das sich um Musik als mögliche Quelle für HistorikerInen drehte, der Kategorie a. zugehörig. Wir besprachen Musik und Text von u.a. Jimi Hendrix, Reagan Youth, Bob Dylan, Rolf Biermann, OHL und ja, auch Udo Lindenberg. Zum Ende des Seminars fuhren wir in besagtes Museum. An das ich nur diffuse Erinnerungen hege. Das Originaltonstudio von CAN stand dort als Exponat, sowie das Cabriolet aus dem ersten Fanta 4 - Video "Die da". Die Ausstellung war zum damaligen Zeitpunkt sehr schlecht konzipiert, in einem düsteren Raum, völlig überfrachtet. Ich hoffe, daß sich in dem Punkt noch etwas getan hat. - Außerdem gab es eine Sonderausstellung von einem Musikjournalisten, der sein  InterviewpartnerInen bat, sich selber zu zeichnen. Diese Idee gefiel mir. Ich beschloß sie zu kopieren.

Von Zeit zu Zeit mache ich also selber Interivews mit KünstlerInen aus dem weiten Spektrum von Punk und Hardcore und Indie. Zu Beginn jedes Interviews bitte ich die Leute, mir ein dickes Tier zu malen. Ich mag dicke Tiere, ich denke, sie haben eine wunderbare Form. Besonders von hinten. Manche sehen aus wie Bowlingpins. Gibt es etwas Schöneres als runde Formen? Und ich mag es, etwas zu haben, was ich durchblättern kann. Ich archiviere meine geführten Interviews nicht. Aber die Zeichnungen der Menschen, die ich traf, sind in meinem Tagebuch integriert und bilden für mich einen weiteren Erinnerungsrahmen an interessantere Augenblicke in meinem sonst eher alltäglichen Leben. Von Zeit zu Zeit also werde ich hier die ein oder andere Zeichnung veröffentlichen. Den Anfang macht Amanda Palmer von Dresden Dolls, die ihre Aufgabe sehr wörtlich nahm. Ich erinnere mich noch, daß wir in Bochum auf eeiner Bank saßen und die Sonne schien. An Fucked Up habe ich schlechte Erinnerungen, da ich eine Blasenentzündung hatte und Olli und Sarah für mich das Interview führen mußten. Sie kamen mit diesem überaus tollem Ergebnis (wie oben zu sehen) nach Hause.

Dienstag, 5. April 2011

berühmte Fragebogen - Notizbuch mit den Fragebogen von Max Frisch

© amazon.de
"Die berühmten Fragebogen von Max Frisch zu Freundschaft, Heimat, Tod, Humor, Frauen und Geld mit genügend Raum für Ihre Antworten." Es ist Zeit für Max Frisch, denn er hätte in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. Grund genug für Suhrkamp seine Fragebogen in einer handlichen Notizbuchausgabe zu veröffentlichen: Eine Aufforderung zur Selbstreflexion, zur Erkundung der eigenen Positionen, denn die Ausgabe bietet Raum für die eigenen Antworten.   Leseprobe direkt beim Suhrkamp Verlag.  Alle Fragebogen wurden von I-XI  numeriert und wurden zu erst 1972 in  Tagebuch 1966-1971 veröffentlicht. Beispiel gefällig? Dann weiterlesen, meine Antworten auf I.



1. Sind Sie sicher, daß Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert? 
 Unentschlossen.
2. Warum? Stichworte genügen.
Aus einer humanistischen Perspektive: Ja. Man trägt Verantwortung auch für nachkommende Generationen. Sollte ich Menschengeschlecht unter Umwelt subsumieren, dann würde meine Antwort ebenfalls 'ja' lauten. Ist dies nicht der Fall und das Wort  "Menschengeschlecht" sich wirklich nur auf den Menschen beziehen, muß ich sagen: Nein. Ich glaube, daß die Umwelt ohne den Menschen erheblich besser dran wäre. Die alleinige Erhaltung des Menschen scheint mir bei der Vielfältigkeit der Umwelt/Natur einfach abstrus.
© Flegmus
3. Wieviele Kinder von Ihnen sind nicht zur Welt gekommen durch Ihren Willen? 
 Einige.
4. Wem wären Sie lieber nie begegnet? 
 Dem ein oder anderen Menschen.
5. Wissen Sie sich einer Person gegenüber, die nicht davon zu wissen braucht, Ihrerseits im Unrecht und hassen Sie eher sich selbst oder die Person dafür? 

Ich befinde mich sehr oft im Unrecht gegenüber anderen Menschen, da meine Sichtweise auf Menschen im höchsten Grad von den Emotionen geprägt ist, die mich zum Zeitpunkt meiner Äußerung dominieren. Dafür hasse ich mich meistens selber, manchmal aber auch die Person, die mich in derartige Zustände bringt. Obwohl ich gerade "hassen" als sehr starkes Wort dafür empfinde. "Wütend" charakterisiert es wohl eher.
Borges
6. Möchten Sie das absolute Gedächtnis? 

Diese Frage kann ich dank einer Kurzgeschichte von Borges "Das unerbittliche Gedächtnis" mit einem klaren "Nein" beantworten. Lesen bildet!
7. Wie heißt der Politiker, dessen Tod durch Krankheit, Verkehrsunfall usw. Sie mit Hoffnung erfüllen könnte? Oder halten Sie keinen für unersetzbar?

Nun ich wünsche der Schröder ein ähnliches Skandälchen wie Guttenberg, das erscheint mir noch relativ harmlos im Vergleich dazu, jemanden wirklich den Tod zu wünschen. Allerdings kann ich mir vorstellen, daß man unter Umständen einem Diktator den Tod wünscht. Aber wahrscheinlich sind auch Diktatoren durch andere Diktatoren ersetzbar.
8. Wen, der tot ist, möchten Sie wiedersehen? 
Aus meinem Umfeld? Meinen Opa, der zur Zeit des Warschauer Ghettoaufstandes aktiv Menschen ermordet hat und überzeugter Anhänger der NSDAP war.  Ansonsten fände ich es spannend, diverse Menschen wiederzusehen, die aus der Geschichte bekannt sind.
9. Wen hingegen nicht? 
Weiß ich ehrlich gesagt nicht, da ich es mir sehr spannend vorstelle, mit jemanden zu reden, der Tod war. Wenn es denn einer sein müßte, so würde ich sagen, daß ich auf keinen Fall Kai Diekmann als Erstes sehen müßte. 
10. Hätten Sie lieber einer anderen Nation (Kultur) angehört und welcher? 
Ja, warum nicht? Allerdings erscheint es mir nur paradiesisch in einem Land, in dem kein Despot herrscht, die Todesstrafe nicht vorkommt und weitere Unannehmlichkeiten vermieden werden können. 
11. Wie alt möchten Sie werden? 
Sehr alt ohne die Nachteile des Alterns.
12. Wenn Sie Macht hätten zu befehlen, was Ihnen heute richtig scheint, würden Sie es befehlen, gegen den Widerspruch der Mehrheit? Ja oder Nein. 
Ja und Nein.
13. Warum nicht, wenn es Ihnen richtig scheint? 
Wie man aus der Geschichte weiß, gerade auch aus der deutschen Geschichte: Auch die Mehrheit kann sich irren.  Allerdings bin ich nicht eitel genug zu behaupten, daß ich die Weisheit mit Löffeln gefressen habe. 
14. Hassen Sie leichter ein Kollektiv oder eine bestimmte Person und hassen Sie lieber allein oder im Kollektiv? 
Sowohl als auch: Ich hasse gerne ein Kollektiv als auch eine bestimmte Person. Und ich hasse auch gerne im Kollektiv. Alleine hassen ist so einsam. Aber provokant.
15. Wann haben Sie aufgehört zu meinen, daß Sie klüger werden oder meinen Sie's noch? Angabe des Alters. 
Jeder Tag macht mich klüger. Und häßlicher.
16. Überzeugt Sie Ihre Selbstkritik? 
Meine Selbstkritik ist nicht überzeugend, sondern vernichtend.
17. Was, meinen Sie, nimmt man Ihnen übel und was nehmen Sie selbst übel, und wenn es nicht dieselbe Sache ist: wofür bitten Sie eher um Verzeihung? 
Meine Launenhaftigkeit und Unzuverlässigkeit. 
18. Wenn Sie sich beiläufig vorstellen, Sie wären nicht geboren worden: beunruhigt Sie diese Vorstellung? 
Nein.
19. Wenn Sie an Verstorbene denken: wünschten Sie, daß der Verstorbenen zu Ihnen spricht, oder möchten Sie lieber dem Verstorbenen noch etwas sagen? 
Ich möchte, daß der Verstorbene bzw. die Verstorbene noch einmal mit mir redet. Ich wünsche mir ein letztes Gespräch, wem dabei die letzten Worte gehören, mag das Gespräch entscheiden.
20. Lieben Sie jemand? 
Ja.
21. Und woraus schließen Sie das? 
Die Gedanken, die ich für diese Person habe, die ständig in den leeren Minuten zu der Person kehren, gerne am Morgen beim Aufwachen oder am Abend vor dem Einschlafen. Das leichte Flattern des Herzens, wenn ich die Person sehe. Das Bedürfnis zu der Person in Kontakt treten zu wollen. Die Vorstellung mit dieser Person alt zu werden. Das Gefühl zu haben, mir würde etwas fehlen, wenn diese Person nicht da ist. Das Lachen, daß ich gerne mit der Person teile. Die Person einfach festhalten zu wollen. Eine tiefe und ehrliche Akzeptanz der Fehler und Vorzüge der Person. Der Alltag der plötzlich bedeutungsvoll wird, wenn man jemanden liebt.
22. Gesetzt den Fall, Sie haben nie einen Menschen umgebracht, wir erklären Sie es sich, daß es dazu nie gekommen ist? 

Ich sah nicht die Veranlassung dazu, jemanden in meinem Umfeld zu töten. 
23. Was fehlt Ihnen zum Glück? 

Eine Wiese, die Sonne, das Haus am Meer, XXXXXXX, ein oder mehrere  Tier(e) und eine Bibliothek. Und Geld.   
24. Wofür sind Sie dankbar? 
Leben. Auch, wenn ich es oft hasse.
25. Möchten Sie lieber gestorben sein oder noch eine Zeit leben als gesundes Tier? Und als welches? 
© Joanne Merriam
Ich verstehe die Frage nicht. Möchte ich jetzt lieber sterben? Nein. Wenn ich gestorben bin, möchte ich dann als Tier weiter leben? Ja. Als dicke, fette, rote Hauskatze, die sich gerne am Bauch kraulen lässt. Oder als Seepferdchen, weil ich dann als weibliches Exemplar keine Kinder bekommen müßte. 

Mittwoch, 16. März 2011

Unendlicher Spaß von David Foster Wallace

" - Ich wollte mir nicht unbedingt wehtun. Oder mich irgendwie bestrafen. Ich hasse mich nicht. Ich wollte bloß raus. Ich wollte nicht mehr mitspielen, das ist alles. [...] Ich wollte bloß nicht mehr denken müssen. Ich gehöre zu einem anderen Typ. Ich wollte mich bloß nicht mehr so fühlen. Wenn ich mich bloß in ein wirklich langes Koma hätte versetzen können, dann hätte ich das gemacht. Wenn ich mir Schocks hätte versetzen können, dann hätte ich das gemacht. Stattdessen. [...] Ich will, weil ich mich so fühle. Das Gefühl ist der Grund, warum ich sterben will. Ich bin hier, weil ich sterben will. Deswegen bin ich in einem Zimmer ohne Fenster, mit vergitterten Glühbirnen und ohne Schloss an der Klotür. Deswegen hat man mir Schnürsenkel und Gürtel weggenommen. Nur das Gefühl nimmt man mir nicht weg, oder? [...]

Dienstag, 15. März 2011

"Und das Schwein fuhr Mercedes" - "Was ich über Adolf Hitler gehört habe..." herausgegeben von Dieter Boßmann

Der Untertitel des Buches "Was ich über Adolf Hitler gehört habe..." lautet "Folgen eines Tabus: Auszüge aus Schüler-Aufsätzen von heute". Das Heute bezieht sich auf die Jahre 1976-1977, in welchen Boßmann in verschiedenen Schultypen im gesamten Bundesgebiet (mit Ausnahme des Saarlandes) dieses Aufsatzthema stellen ließ.
Natürlich ist Bohrmann der Nachteil seiner Studie bewußt: So kann er weder über den generellen Bildungsstand der Schüler und Schülerinen Auskunft geben, noch über die Motivation bei der Beantwortung der Fragen.  Warum Boßmann sich für die recht lapidare Fragestellung "Was ich über Adolf Hitler gehört habe" entschieden hat, begründet er wie folgt:

"Bei der schließlich gewählten Formulierung 'Was ich über Adolf Hitler gehört habe' war ich mir natürlich bewußt, daß solche Antworten der Schüler proviziert werden, die die biographische Erklärungsebene nicht verlassen. Gleichzeitig glaubte ich nach der Lektüre von Geschichtsbüchern trotzdem so  verfahren zu können, denn in ihnen ist oft von 'Hitler-Deutschland, Hitler-Diktatur, Hitler-Putsch' usw. die Rede. Wenn die Schüler nun ungeachtet aller Alters- und Bildungsdifferenzen - in ihren Aufsätzen immer wieder davon sprechen, daß 'er' dies oder jenes getan habe, mithin zu erkennen geben, daß es sich ihrer Meinung nach bei den jeweiligen Ereignissen um persönliche Taten Hitlers gehandelt habe, so liegt dies m. E. nicht allein in der Art der Themenstellung begründet. Aus eben demselben Grund scheint mir der hin und wieder gegen die Formulierung des Aufsatzthemas geäußerte Einwand wenigstens zum Teil entkräftet, wonach  aufgrund einer einzigen Frage keine differenzierten Ergebnisse zu erhalten und noch weniger politisch-moralische Einstellungen der Schüler zum Nationalsozialismus zu erfahren seien, aus denen dann Rückschlüsse zu ziehen möglich wäre."


Es folgt eine fiktive Hitler-Biographie aus Versatzstücken der Schüler und Schülerinen. JedeR, der schmunzelt, tut dies sicherlich zu Recht, denn stellenweise sind die zusammengetragenen Fakten so abstrus, daß nichts anderes als ein Lächeln provoziert werden kann.  Natürlich habe ich die Informationen gefiltert. Allerdings waren viele Aussagen einfach erschreckend verkürzt  (immer auch in Hinblick gesehen, daß man es mit SchülernInen zu tun hat) und haben einen völlig falschen Fokus auf Hitler gelegt. Was aber nicht heißt, dass es nicht doch einige Antworten gab, die (im Rahmen der Altersstufe) sehr reflektiert waren. Man sollte bedenken, daß es sich hier um die eigenen Geschwister handeln könnte - zumindest aus meiner Perspektive als Kind der frühen 80er Jahre.  Außerdem bleibt die Frage offen, was heute bei einem ähnlich gearteten Projekt an Wissen bzw. Nicht-Wissen zu Tage käme. Und letztendlich bleibt die Frage offen - Was weiß ich eigentlich über Adolf Hitler? Und was weiß ich eigentlich über den Nationalsozialismus? Denn das dritte Reich wurde durch die in dieser Gesellschaft lebenden Menschen ermöglicht, Hitler kam nicht über diese Menschen und verführte sie, es gab Gründe, warum der Nationalsozialismus zur führenden Ideologie  wurde und warum zahlreiche Menschen wegsahen als Millionen von Menschen unschuldig vernichtet wurden. Diese Gründe sollten jeder/m von uns jeder Zeit präsent sein und dieses Wissen ist sicherlich nicht in Form einer kleinen Annekdote über Hitler abrufbar.



"Was ich über Adolf Hitler gehört habe..."

Elternhaus und Äußeres
Hitlers genaue Herkunft bleibt rätselhaft, er scheint sowohl Wurzeln in der Schweiz als auch in Italien gehabt zu haben. Es gib sogar Hinweise, daß er in Köln geboren wurde. Sein Familienname ist Schüttelgrube. Er stammte aus einer zerrütteten Familie. Seine Mutter war Magd, sein Vater Postbeamter. Hitler hatte zwei unehliche Brüder, die bei der Geburt verstarben, aus diesem Grund wurde er von der Mutter besonders verhätschelt. Als Hitler 17 Jahre alt war, verstarb seine Mutter an Krebs. Ihr Arzt soll Jude gewesen sein und sie falsch behandelt haben. Dies könnte ein Grund für Hitlers Judenhass gewesen sein.
Zu Hitlers Äußerem:  Seine Kopfform war oval, er trug kurze Haare mit Scheitel, die Stirn war dabei schon etwas freigelegt. Sein Bauchumfang betrug 97 cm, er hatte Schuhgröße 42 und wog 160 Pfund. Spannweite 1, 62 m. Größe zwischen 1,70 m und 1,88 m. Er soll kein gutaussehender Mann gewesen sein, obwohl ihn einige Frauen schön fanden.

Der junge Hitler
Schon als kleiner Junge interessierte sich Hitler für Gewehre, Soldaten und Krieg. In der Schule war er auffällig. Er war zwar ein guter Sprecher, aber er störte regelmäßig den Unterricht und arbeitete nur, wenn er Lust hatte. Deswegen verließ er die Schule ohne Abschluß. Privat befaßte er sich mit Dichtung und Politik, er kritisierte u.a. den Vielvölkerstaat Österreich.  Sein Leben finanzierte er zunächst als Postkartenverkäufer, mußte aber trotzdem bei den Landstreichern leben. Später entdeckte er seine Leidenschaft für die Architektur und die Malerei und ging deswegen nach Wien und wollte an die Kunstakademie, diese lehnte ihn aber ab. In Wien kam er auch mit nationalistischen Arbeiterkreisen in Berührung, die ihn nachhaltig prägten. Nebenher spielte er auch in Filmen mit. Da seine Kunst keinen Anklang fand, widmete sich Hitler schließlich der Politik.
Im ersten Weltkrieg diente Hitler als Freiwilliger. Ein Granatsplitter traf ihn am Kopf und Hitler verlor teilweise sein Augenlicht. Er erhielt das Eiserne Verdienstkreuz nachdem er zum zweiten Mal schwer verwundet wurde.
Nach dem Ende des ersten Weltkrieges bschäftigte er sich mit den Schriften von Marx, was ihm  ein tierferes Verständnis einbrachte, wie man ein Volk politisch zu führen hatte. Er setzte alle seine Kraft daran, ein nationalsozialistisches Deutschland aufzubauen, deswegen gründete er die NSDAP, die eigentliche eine Abspaltung der SPD war und linksradikal orientiert war.
1923 versuchte er in München den Reichstag zu stürzen. Da dies mißlang kam er ins Gefängnis. Dort führte er ein Leben wie ein Fürst, beispielsweise hatte er einen eigenen Chauffeur, eine Sekretärin und eine eigene Wohnung. Im Gefängnis verfaßte Hitler sein Buch "Mein Kampf" in zwei Teilen. Der erste Teil befaßt sich mit der innenpolitischen Lage Deutschlands. Hitler entwickelte hier einen Kampfplan, um die damaligen Ostblockstaaten in seine Gewalt zu bringen. Der zweite Teil des Buches "Mein Kampf" wurde erst 1968 gefunden, hier befaßte Hitler sich mit der Außenpoltik.

Psychogramm Hitlers
Hitlers Psychogramm ist komplexer Natur. Häufig fällt der Vergleich zu dem Diktator Idi Amin.
Hitlers Vorbilder sollen Stalin und Alexander der Große gewesen sein. Er soll sehr tierlieb gewesen sein, was zahlreiche Vogelhäuser in seinem Garten beweisen. Außerdem liebte er Hunde, selbst hatte er eine deutsche Schäferhündin, die er mit in den Tod nahm. Auch  Kinder scheint er sehr gern gehabt zu haben, leider blieb seine Ehe kinderlos. Seine sexuelle Orientierung soll devot gewesen sein.
Hitler litt an unkontrollierten Wutausbrüchen und an Größenwahn. Seine vielfältigen Minderwertigkeitskomplexe versuchte er durch seine Führerrolle zu kompensieren.

Hitlers Ämter
Er war einer der größten Männer im 30jährigen Krieg. Kurz und gut, Hitler war ein hoher Mann. 

Leben in der NS-Zeit
Nach dem ersten Weltkrieg hat Hitler Deutschland wieder aufgebaut. Er ließ Häuser für kinderreiche Familien bauen, brachte Mutterfahrten heraus, ließ Schulen und Krankenhäuser bauen, ließ Mütter sich auf Mutterfahrten erholen und baute Autobahnen. Besonderes Augenmerk legte er auf die Jugenderziehung, da die Jugendlichen sein 1000jähriges Reich erweitern und festigen sollten. Deshalb schuf er Jugendorganisationen wie Hitlerjugend und BDM. So lange Hitler an der Macht war, gab es Ruhe in Deutschland.  
Hitler sezte sich über den Versailler Vertrag hinweg und rüstete das Deutsche Heer auf. Systematisch wurde das Volk auf den Krieg vorbereitet.
Geistig und behinderte Menschen wurden geköpft, damit das Land nicht ganz verblödete. Die Juden hingegen waren ihm zu klug, deswegen brachte er auch diese systematisch um.
Zur Regierungszeit Hitlers wurde der Gruß des deutschen Volkes "Hey Hitler". Hitlers Markenzeichen wurde das Hakenkreuz, ein mittelalterliches Symbol, das zur Vertreibung böser Geister diente. 
Die schlimmsten Soldaten Hitlers wurden Narzisten, als auch Na(t)zis genannt. Nach Ende des Krieges wurden diese erschossen.

Widerstand gegen das NS-Regime
Es gab drei Gruppen von Gegnern Hitlers: 1. Pazifisten, 2. Widerstandskämpfer, 3. Partisanen.  Mehrere gut geplante Attentate an Hitler wurden vereitelt, weil Hitler nicht an der vermuteten Stelle anzutreffen war

Hitlers Leben im Krieg
Ließ sich in Berlin eine Wohnung bauen, die 27 Stockwerke unter der Erde lag. Am liebsten hielt er sich aber auf dem Obersalzberg auf.  Er soll ein feiger Mann gewesen sein, der bei Bombenangriffen als erster im Bunker verschwand.

Propaganda im 3. Reich
Hitler hielt gerne große Reden, einer seiner bekanntesten dürfte die Ansprache gewesen sein: "Wollt ihr Brot oder den kalten Krieg?" Bei Veranstaltungen setzte er gezielt Musik zur Manipulation ein. Hitler hatte viele enge Vertraute (Himmler, Ludendorf, Göring), die das gleiche Ziel wie ihr Führer verfolgten. Sie arbeiteten alle mit Psycho-Tricks, um jeden im Volk zu manipulieren. 

Meinungen und Fragen der Schüler
"Er war vielleicht eine Art Philosoph. Vielleicht ist sogar der Gedanke einer reinen Rasse aus seiner Philosophie entsprungen. Ich kann mir keine Meinung darüber bilden; ich lebe nicht mit und unter ihm. Ich lebe jetzt. Nun, ich meine, wenn einer eine reine Rasse aus seinem Volk machen will, dann tut er etwas für seine Leute, er gibt ihnen Arbeit. - Gehen wir von der Voraussetzung aus, daß die Sache mit den Juden stimmt, müßte man gegen Hitler sein. Sehen wir die Sache mit der Arbeit, müßte man sagen, Hitler war toll. Aber allein durch diese beiden Beispiele sieht man, wie schwierig es ist, sich eine Meinung über einen Menschen zu bilden, den man nicht kennt. - Ich habe zu wenig von und über ihn gehört, um mir ein Ureil bilden zu können, falls ich mir überhaupt erlauben darf als ein Mensch über einen Menschen, der zudem gar nicht mehr existiert, zu urteilen."
Realschüler Wolfram, 17

"Sein bedeutenstes Werk war die Judenverfolgung. Viele Leute machen ihm KZ und Judenverfolgung zum Vorwurf, aber haben nicht fast alle Länder in dieser Zeit die Juden oder eine andere Minderheit verfolgt und gequält? - Wie sieht es denn heute in den sowjetischen Ländern aus, die wie frühere Kolonien unterdrückt werden, oder in Sibirien, was da alles an 'Schweinerein' vollbracht wird! Wer sagt da etwas? Alle regen sich auf, keiner tut etwas. - Adolf Hitler hat etwas getan, er machte Deutschland zur Industriemacht und indirekt verdanken wir ihm auch den Wohlstand, den wir heute haben. Da ich weiter nicht viel mehr über ihn weiß, möchte ich zu bedenken geben, daß jeder Mensch gute und schlechte Seiten hat, nur daß sie von Hitler eben alle bekannt sind (Informationsquellen: Meine Eltern, Bücher über den II. Weltkrieg und das Fernsehen)."
Realschüler Thomas, 16 
 
"[...] Ich glaube, wenn Hitler auf dem Teppich geblieben wäre, sähen die Deutschen ganz schön alt aus. Um 22 Uhr müßte jeder hinter dem Ofen verschwunden sein. Jeder müßte wie ein Pferd arbeiten und in seiner Freizeit noch in Arbeitsgruppen für Deutschland tätig sein."
Berufsschüler Jürgen, 16

"Ich fand Hitler gut, nur die Judenverfolgung nicht."
Realschüler Uwe, 15



Mittwoch, 9. März 2011

"Was denkst du über das Vergehen der Zeit?" - Der alte König in seinem Exil von Arno Geiger (Rezension)

"Das einzige, was uns angesichts dieser unausweichlichen Niederlage, die man Leben nennt, bleibt, ist der Versuch, es zu verstehen." (Kundera, zitiert nach Geiger: Der alte König in seinem Exil)

Und so wird Geigers autobiographische Reflexion über den an Alzheimer erkrankten Vater ein Versuch zu verstehen, was es bedeutet zu leben. Geschickt verwebt er biographische Details und kluge Gedanken und baut nicht nur für sich eine Brücke in die Welt des Vaters, des Kranken, sondern ermöglicht es auch den LeserInnen über ihr eigenes Verständnis von Alter, Krankheit und Familie nachzudenken. Das macht dieses Buch zu einer bereichernden Lektüre, die völlig zu Recht für den deutschen Buchpreis 2011 nominiert ist.

Geigers Beweggrund dieses Buch zu schreiben, mag das Schuldgefühl gewesen sein. Direkt am Anfang erzählt er, wie die Krankheit langsam anfängt, den Vater zu verändern. Doch werden die ersten Anzeichen der Krankheit verkannt, viel eher riecht "sein Leben  nach dumpfer Gleichgültigkeit" - und  Geiger ist nicht bereit dazu, sich mit dem Vater auseinanderzusetzen, denn er versucht "beruflich auf die Beine zu kommen".  "Meine ganze Kindheit lang war ich stolz gewesen, sein Sohn zu sein. Jetzt hielt ich ihn zunehmend für einen Schwachkopf. - Es wird wohl stimmen, was Jaques Derrida gesagt hat: dass man stets um Vergebung bittet, wenn man schreibt." So ist das Buch eine Geste der Abbitte und der Hommage zu gleich. Denn Geiger schreibt, wie sich seine Perspektive auf den Vater verändert, eben vom Schwachkopf zum König im Exil.

Doch dieser Sichtwandel scheint erst mit der Diagnose der Krankheit möglich: "Der Vater lässt sich nicht hängen, sondern leidet an Demenz."  Das benennen der Krankheit schafft die Möglichkeit, sich in die Welt des Kranken einzufinden und ihm mit Verständnis zu begegnen. Und die große Stärke dieses Buch ist, daß es trotz des Verlustes - "Der Umgang mit Kindern schärft den Blick für Fortschritte, der Umgang mit Demenzkranken den Blick für Verlust. Die Wahrheit ist, das Alter gibt nichts zurück, es ist eine Rutschbahn, und eine der größeren Sorgen, die einem das Alter machen kann, ist die, dass es gar zu lange dauert." - auch zeigt, daß im Rahmen der Krankheit neue Möglichkeiten bestehen. So zum Beispiel wird das Verhältnis zum Vater intensiviert und man lernt sich auf  einer neuen Ebene kennen: "Nachdem ich jahrelang auf nichts mehr neugierig gewesen war, was er zwischen Patiencenlegen und Fernsehen getrieben hatte, packte mich das neue Interesse auch deshalb, weil ich spürte, dass ich dabei war, etwas über mich selbst zu erfahren - es war lediglich noch unklar was. [...] Die psychische Belastung war weiterhin enorm, aber ich stellte eine Änderung meiner Gefühle dem Vater gegenüber fest."

Im FAZ-Interview beschreibt Geiger die Situation so:

Das Verhältnis zu Ihrem Vater ist durch die Krankheit sehr intensiv geworden. Sind Sie manchmal froh über seine Erkrankung?

Nein. Das haben wir uns nicht ausgesucht. Aber es gibt positive Aspekte darin - überhaupt keine Frage. Ich hätte mir jedoch niemals gewünscht, in diesen Abgrund zu blicken.

Was haben Sie dort gesehen?

So viel Schmerz, Hilflosigkeit. Der Wunsch, er möge sterben oder ich möge sterben - Hauptsache, das nimmt ein Ende. Am Morgen wünscht man sich, dass Abend ist, und am Abend, dass Morgen ist. Man will einfach nur, dass die Zeit vergeht. Es gab Momente, in denen ich jemand war, der ich nicht sein will. So ungeduldig und unfreundlich. Dann wünschte ich mir, er würde sterben, um mich von diesem Druck zu befreien. Das ist ein tiefer Abgrund. Heute empfinde ich Reue und Scham. Ich habe mir auch oft gewünscht, dass er wieder gesund ist. Einfach von heute auf morgen. Oder dass ich Wunder bewirken könnte und ihn gesund mache. Ich bin froh um die Erfahrung, aber ich bin nicht froh, dass es so ist.

Trotz der zahlreichen positiven Kritiken, gab es in der Süddeutschen eine negative Rezension. Allerdings muß man sich fragen, ob der Rezensent der Süddeutschen, Chrisopher Schmidt, den Mehrwert dieses Buches überhaupt verstanden hat, wenn er Geiger vorwirft,
ob Geigers Vatererhöhung nicht im Grunde eine verbrämte Abrechnung ist. [...] Auch Arno Geiger hat sich Zeit gelassen, allerdings beim Schreiben dieses Buches, von dem er sagt: 'ich habe sechs Jahre darauf gespart'. Andererseits habe er damit fertig werden wollen, solange der Vater noch lebt, weil dieser wie jeder Mensch ein Schicksal verdient habe, das offenbleibt, so Geiger gönnerhaft. Bei dieser pseudoempfindsamen Geste handelt es sich jedoch um eine windelweiche poetologische Rechtfertigungspirouetten. Denn Geiger hat sich das Buch nicht zusammengespart, sondern dafür den Vater ausgeplündert.
Hier handelt es nicht um die Ausplünderung eines armen, gebrechlichen Mannes. Schmid verkennt  das Schreiben als Mittel der Reflexion, denn "es heißt, jede Erzählung sei eine Generalprobe für den Tod, denn jede Erzählung muss an ein Ende gelangen. Gleichzeitig bringt das Erzählen dadurch, dass es sich dem Verschwinden widmet, die verschwundenen Dinge zurück." Außerdem schafft Geiger etwas besonders mit seinem Buch: Er gibt dem alternden und erkrankten Menschen seine Würde zurück. Sein Recht auf Leben. Das ist eine positive Botschaft, die allen Mut geben kann bei aller Frustration, die diese Krankheit verursacht. ("Und wenn es einmal so ist, dass der Vater seinen Kindern sonst nichts mehr beibringen kann, dann zumindest noch, was es heißt, alt und krank zu sein. Auch dies kann Vaterschaft und Kindschaft bedeuten, unter guten Vorausseztungen.") Geiger dazu in einem Spiegel-Interview:

SPIEGEL ONLINE: Hat sich Ihr Bild von der Alzheimer-Krankheit mit den Jahren verändert?
Geiger: Am Anfang standen Schock und Trauer. Ich hatte diese finsteren Bilder von Demenz vor Augen. Ich habe mir gedacht, es ist alles vorbei: Die Krankheit nimmt mir jetzt den Vater. Wir werden nie wieder glücklich sein. Heute weiß ich: Das Ende des Lebens ist auch Leben. Und wenn man über Jahre hinweg zuschaut, wie jemandem die grundsätzlichen Dinge abhanden kommen, dann bekommt man auch einen Blick dafür, was unser Gehirn Tag für Tag leistet. Dass ich ein Glas nehmen kann und trinken. Mein Vater hat Tage, da sagt er, "Was soll ich damit tun?" Ich sage: "Du musst nur trinken". Dann sagt er: "Ich weiß nicht, wie das geht."
Letztendlich wird bei Geiger Alzheimer zur Chiffre für die heutige Gesellschaft, obwohl er durchaus im gleichen Spiegelinterview erkennt, daß diese Analyse zu plaktaiv geraten ist:
Gleichzeitig ist Alzheimer ein Sinnbild für den Zustand der Gesellschaft. Der Überblick ist verlorgengegangen, das verfügbare Wissen nicht mehr überschaubar, pausenlose Neuerungen erzeugen Orientierungsprobleme und Zukunftsängste. Von Alzheimer reden heißt, von der Krankheit des Jahrhunderts reden.  Durch Zufall ist das Leben des Vaters symptomatisch für diese Entwicklung. Sein Leben begann in einer Zeit, in der es zahlreiche feste Pfeiler gab (Familie, Religion, Machtstrukturen, Ideologien, Geschlechterrollen, Vaterland), und mündete in die Krankheit, als sich die westliche Gesellschaft bereits in einem Trümmerfeld solcher Stützen befand. (Geiger, Der alte König in seinem Exil)
Arno Geiger, © Amrei-Marie
Trotzdem scheint diese Metapher die Orientierungslosigkeit, die das Ende der großen Erzählungen verursacht hat, genau zu treffen. Im Gegensatz zum alternden alzheimer Erkrankten schaffen wir es nur geschickt unsere Orientierungslosigkeit zu tarnen.

Erschienen ist das Buch im Carl Hanser Verlag 2010. Eine kostenlose Leseprobe findet sich hier. Arno Geiger ist ein österreichischer Schriftsteller, der bereits 2005 den deutschen Buchpreis für Es geht uns gut erhielt. Seine offizielle Website findet sich hier.

Montag, 7. März 2011

Let's make love and read "Phonogram. The Singles Club" (Rezension)

Quelle: www.phonogramcomic.com

Samstagabend. Der im wöchentlichen Rhythmus wiederkehrende Ausgehzwang, temporäre Erholung vom falschen Leben. Zentrales Moment aller Teenager, Twentiesomethings und Singles. Das Epizentrum von Lust, Liebe und Schmerz. Unterlegt mit einem Soundtrack, der sich oftmals länger im Gedächtnis hält als der Geburtstag oder das Alter der eigenen Geschwister. Hochkonzentriert, verdichtet, Tragik und Komik, so ist das Leben im Club. Und das jedes Wochenende.

Musik bedeutet alles. Außer den Leuten, die sagen, daß sie am liebsten Radio hören. Musik ist Magie und Phonomancer sind die Magier, die durch Musik andere Menschen ver- bzw. bezaubern und ihre Wünsche befriedigen können. Kurz: Phonogram beschreibt das, was Musik mit musikbesessenen Menschen anstellt. Was High Fideltiy für den Plattensammler und Mixtapeersteller, das ist die Miniserie Phonogram für Indieboys und Riotgrrrls.

Quelle: www.phonogramcomic.com



Der erste Band Phonogram: Rue Britannia umfaßt sechs Miniausgaben und ist eine Hommage an den BritPop. Also nichts für mich. Wer trotzdem eine Idee davon bekommen möchte, wie sich hier Pop und Comic auf eine spielerische Art vermischen, der kann bei Image Comics die erste Ausgabe online lesen.
Der zweite Band The Singles Club verfolgt hingegen das Schicksal von sieben Menschen, deren Wege sich in einer einzigen Nacht, um genau zu sein am 23. Dezember 2006, kreuzen. Und zwar im Never-On-A-Sunday, eine Disco über einen Pub in Bristol. Die Regeln für den heutigen Abend: 1. No Boy Singers. 2. You must dance. 3. No Magic.

Ohne jetzt auf die einzelnen Geschichten einzugehen, die sich alle in der ein oder anderen Weise um Liebe und Identität drehen, ist das herausragende an diesem Comic tatsächlich die Darstellung der Vermengung von Musik und Leben bzw. Schicksalen. Und eben auch die Deatilversessenheit mit der die Musikbessenheit dargestellt wird und die natürlich an Hornbys feuchten Männertraum "High Fidelity" erinnern muß. Beispiele lassen sich in folgenden Dialogen finden: "You know what I like about Sleater-Kinney? - They split up. - Yes. Exactly that." Oder auch: "She's Laura Evans. She's my best friend. I've known her since I was - like - six. I liked Take That. She liked East 17. We bonded anyway." Das sind natürlich Fragen, die man sich auch  schon in den 70ern gestellt hat: Bist Du für die Stones oder die Beatles? Auf welcher Seite stehst Du? New Order oder Joy Division?


Quelle: www.phonogramcomic.com
Dieses Comic offenbart vor allen Dingen eine profunde Kenntnis von Musik und ihrer Kultur. Was kein Wunder sein kann, denn einer der Macher, Kieron Gillen, liebt nicht nur PC-Spiele, sondern auch Popmusik und hat sich seine Sporen bei diversen Musikblogs verdient., nachdem er feststellen mußte, daß der NME nichts für ihn ist. Jamie McKelvie hingegen zeichnet für Marvel und DC und laut eigener Aussage für Punkbands, die heiße Mädchen auf ihren Plattencover wollen ...was hoffentlich nicht mehr passiert (oh selige Utopie). Laut Biographien verbindet beide: "a love of Sunderland pop-punk bands of the late nineties and little else."


Als Bonus gibt es im Heft ein Glossary, damit man das ganze Ausmaß dieser Bessesenheit auch nachvollziehen kann. Mit wunderbaren Einträgen zu u.a. den X-Ray Spex: "Listening to X-Ray Spex in 2010 makes me think that X-Ray Spex were the only 70s punk band who really grasped the true horror of the future." Oder auch zu den Supremes: "Diana Ross and the other two." Aber auch eine Covergallery und selbst die einzelnen  Cover sind natürlich Flyern nachempfunden.

Quelle: www.phonogramcomic.com
Kritisch muß ich sagen, daß mir der Zeichenstil und die Farbgestaltung ein wenig zu steril geraten sind. Immerhin geht es hier um Musik und auch unterschiedlichen Musikszenen - wie auch immer diese Szenen nun aussehen. Da hätte ich mir schon ein wenig mehr Ecken und Kanten gewünscht und nicht glatte, auf Hochglanz polierte Zeichnungen. Etwas mehr Punk, etwas mehr Individualität. Aber dafür wurde Wert auf authentische HIintergründe gelegt, bspw. das Belle and Sebastian- und Cat Power Plakat beim leidenschaftlichen Musikliebhaber, dem beim Thema Pop nicht zum Scherzen zu Mute ist. Und letztendlich, was soll ich sagen? Die einzelnen Stories bieten einfach ein zu hohes Identifikationspotential.  Denn wie jeden Freitag oder Samstag heißt es "Because tonight is like any other night." (Zitiert nach den Smiths, "I know it's over.") Denn man sieht sich dort, wo schneller Sex Rettung verspricht oder die große Liebe mit jemand anders tanzt und man über die schlechte Musikauswahl der DJs fachsimpelt.



Als Untermalung der Lektüre empfehle ich die Playlist der Never-On-A-Sunday DJs:

Blondie "Atomic"
Ike & Tina Turner "River Deep Mountain High"
Nelly Furtado "Maneater"
Crystal Castles "Air War"
New Young Pony Club "Ice Cream"
Salt-N-Pepa "Push It"
Johnny Boy - "You Are The Generation That Bought More Shoes And You Get What You Deserve" (was ein gottgleicher Titel!)
Casei De Ser Sexy "Let's Make Love And Listen To Death From Above"
Girls Aloud "Graffiti My Soul"
Sleater-Kinney "I Wanna Be Your Joe Ramone"
Kenickie "Can't I Take You To The Cinema"
The Supremes "You Keep Me Hangin' On"
The Pipettes "Pull Shapes"
Robyn "Who's That Girl"
The Knife "We Share Our Mothers' Health"
Elastica "Line Up", "Who's That Girl?"

Interessant wäre es im übrigen auch, noch mal zu schauen, was der Comic an Stereotypen im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis parat hält. Also wie werden die Mädels bzw. Frauen dargestellt und was erfahren wir von den jungen Typen in den Geschichten und werden dabei eventuell Clichés tradiert, die typische für die Musik und ihre Szenen sind.  An dieser Stelle ein weiteres Zitat aus einem der großartigsten Indiediscohits:

You bought a new van the first year of your band.
You're cool and I hardly wanna say "not" because I'm so bored
that I'll be entertained even by a stupid, fucking linoleum floor, linoleum floor
Your lyrics are dumb like a linoleum floor
I'll walk on it
I'll walk all over you
Walk on it, walk on it, walk on, One, Two!

In diesem Sinne: Books Not Sex!

Nachtrag 1. August 2012: Die Macher haben schon seit geraumer Weile auf Ihrer Website einen dritten Teil von Phonogram angekündigt. In einem Wort: Stoked! Das Ding soll Immaterial Girl heißen und wenn mich nicht alles täuscht, werden wohl die 80ies im Vordergrund stehen. Madonna läßt schon jetzt grüßen.

Mittwoch, 23. Februar 2011

Schutzräume


nachtgeier kreisen hungrig, kühle schwingen streichen wild über den kopf,

ausgeliefert, zuflucht suchend, über erinnerungen stolpernd,

kriechend in den abgrund hinein,

schweissnasses bettlaken klebt feucht an haut,

taumelnd vor den  herzzerfledernden wirklichkeiten

atmen,          ein, 

angstameisen  laufen von den fingerspitzen bis zu den  schaltkreisen der synapsen

atmen,          aus

dunkle brandzeichenbilder im unterbewußtsein

jagen  das bewußtsein

bewaffnet mit zähnen schlagen sie bahnen ins fleisch

blutend liegen bleibend, das zimmer zu klein für jede flucht

phantasien zu schwach für neue hoffnung

heulend mit den wölfen der vergangenheit in die einsame dunkelheit

und atmen,             aus

käfigkörper ohne ausbruchsmöglichkeit?

 atmen,                     niemals ein.







Erste Impressionen zum Thema "Schutzräume". Der Versuch sich in einer poetischen Weise auszudrücken und der Hang zu Neologismen könnten zum peinlichen Exitus führen. Wer die Band "Zorn" kennt, fühlt sich vielleicht in unangenehmer Weise berührt. Sicher kann man sich aber sein, daß ich mir dabei etwas gedacht habe. Sicher kann man sich auch sein, daß hier noch umgeschrieben wird. Der Text ist eine Baustelle an der kontinuerliche Copy and Paste betrieben wird. 

Donnerstag, 13. Januar 2011

Teddys Tag im Zoo: Wombat - "The Wombat is a Joy, a Triumph, a Delight, a Madness!"

Okay. Punk, Sex, Bücher. Die glorreichen Drei. Ein Hoch auf verschwendete Zeit, ein Abgesang auf die Postadoleszens, den finanziellen Ruin ... Doch ein weiteres Hobby raubt mir Zeit und Energie: Dogwatching, Animalspotting, Catsitting.  Die Freude über ein neuentdecktes plüschiges oder schuppiges Wesen, das mit gefährlichen Spzialwaffen ausgestattet ist im Kampf gegen Gangster und Freßfeinde ... Die Freude, die man empfindet, wenn man wieder merkt, daß die Natur für alles eine Antwort hat -  und all dieses Wissen, das kann einem schon mal den Smalltalk erleichtern: hinter dem Tresen, in der Disco oder an der Tankstelle. Wer nur über das Wetter reden kann, ist ein Miesepeter. Also für alle, die gerne mit ihrem Fachwissen über die Fauna glänzen wollen, hier eine neue Rubrik: "Teddys Tag im Zoo".

"Wäre es nicht schön, wenn der Frankfurter Zoo ein Wombat-Pärchen erwerben könnte? Ich kann mich an diese freundlichen und rundlichen Tiere mit viel Identifikation aus meiner Kindheit erinnern..." -  Theodor W. Adorno in einem Brief an den Zoologen Bernhard Grizmek (Müller-Doohm, Stefan: Adorno. Eine Biographie, Frankfurt a. Main 2003).


Bevor ich mich jetzt in Anekdoten über Adorno verliere ("Ein großer Mann stand ihm [Adorno, K] gegenüber, eindrucksvoll, eine Frankfurter Geschäftspersönlichkeit. Er klagte bei Adorno über das Fernsehen, das er  sich ins Haus geholt hatte. '"Was soll ich nur machen. Von Ihnen als Soziologie-Professor erhoffe ich mir einen Rat. Meine Kinder bringe ich nicht mehr vom Fernsehappart weg. Was soll ich da bloß tun?' Adorno schaute ihn erstaunt-amüsiert an und sagte, seine Hände gestisch in Kopfhöhe bewegend: 'Kinder totschlagen, Kinder totschlagen.'" Schmitdchen, Gerhard: Der Gesang des Denkens. Mein Weg zu Adorno, in: Adorno-Portraits. Erinnerungen von Zeitgenossen, hrsg. v. Stefan Müller-Doohm, Frankfurt a. Main 2007. ), zurück zum Smalltalkthema: Wombat und somit vielleicht auch eine weitere Dimension in Teddy Adornos Leben entdecken.

Diprotodon optatum
Der eigentlich Vorfahr des Wombats ist der sogenannte Diprotodon optatum - das größte Beuteltier, das jemals gelebt hat (Abgefahren: Was konnte der wohl in seinem Beutel mitschleppen?). Seine Nachfahren sind die heute lebenden zwei Gattungen: Haarnasenwombat (Lasiorhunis) und Nacktnasenwombat (Vombatus ursinus). Wombats nennt man auch ganz gerne Plumpbeutler. Den Namen erhielt das possierliche Tier von den Aborigines, die ihn u.a. als whom-batt bezeichneten.

Wombats haben nicht nur die Form eines kompakten Bulldozers, sie sind sogar Bulldozer. Die kleinen Augen und Ohren, der kurze Nacken und der starke Körperbau mit kraftvollen Schultern und Beinen - prädestiniert um unterirdisch zu graben. Der abgeflachte Vorderkopf wird dabei oft als Rammbock benutzt. Mit den Vorderbeinen wird gegraben, die Hinterbeine schaufelen dann den ganzen Dreck an die Erdoberfläche. Das rauhe Fell des Wombats - in etwa eine Textur wie eine Fußmatte - eignet sich hervorragend als Wetterschutz. Sie erreichen eine Größe von ca. 70-120 cm und ein Gewicht von 20 bis zu 40 kg.


Der Tagesablauf eines Wombats: lange in den Tag hinein schlafen, erst in der Dunkelheit die Lage austesten. Denn zuviel Hitze oder Sonnenlicht sind tödlich für einen Wombat. Am liebsten futtern sie Gras. Und sie sind Einzelgänger. Trotzdem verfolgen sie keine strikte Territoriumspolitik, ein bißchen Abstand zueinander reicht ihnen meist, um gemütlich weiter zu fressen. Zur Kommunikation verwenden Wombats gewöhnlich keine Geräusche, sie erkennen sich am Geruch und an ihren Ausscheidungen.


Aus: How to scratch a Wombat
Ein Jungtier kommt schon nach 20 Tagen auf die Welt. Die folgenden ca. sechs Monate verbleibt das Jungtier im Beutel der Mutter - der Beutel befindet sich mit seiner Öffnung zu den Hinterbeinen am unteren Bauchrand -  und ernährt sich von ihr. Erst im 6. Monat beginnt das Jungtier seine Umgebung außerhalb des Beutels zu erkunden. Zwischen dem 12-15 Monaten hört das Jungtier auf Milch zu trinken, meist verweigert die Mutter im entsprechenden Alter ihre Zitzen durch das flache Hinlegen auf den Bauch. Im Alter von zwei Jahren ist der Wombat unabhängig und mit drei Jahren geschlechtsreif. 

Das Paarungsverhalten gleicht einem "Hasch mich, ich bin der Frühling". In den ersten beiden Tagen wirken Männlein wie Weiblein wie Spinnefeind, doch am letzten Tag bekommt das Verhalten einen spielerischen Charakter und wenn sich das Weibchen in ihren Bau zurück zieht - Wombats leben in oftmals selbstgegrabenen Bauten - folgt das Männchen zur Paarung. 

Meine Informationen beziehe ich aus diesem wundervollen, kleinem nützlichen Buch: French, Jackie: How to scratch a Wombat. Where to find it ...What to feed it ...Why it sleeps all day, New York 2009.  Die Autorin scheint eine wahre Wombatkennerin zu sein, immerhin ist dies schon ihr drittes Buch über diese wundervollen Tiere (Als Expertin qualifiziert sie ihre jahrelange Erfahrung mit diesen Tieren). Als weitere Titel der Autorin sind zu nennen: Diary of a Wombat und Diary of a Baby Wombat. 

Und noch was zur Erbauung: der Maler, Designer, Übersetzer und Poet Dante Gabriel Rossetti ließ sich künstlerisch inspirieren und verfaßte die Ode an einen Wombat (Ode to a Wombat):

O how the family affections combat
Within this heart, and each hour flings a bomb at
My burning soul! Neither from owl nor from bat
Can peace be gained until I clasp my wombat.



In diesem Sinne: "Why was man put on earth? Tigerfood!"

Donnerstag, 6. Januar 2011

Nächtliche Anekdote - Boltanski und Hardcore

Die Band war befreundet mit einer Freundin. Sie waren verdammt jung, naja, nicht zwölf, sondern in der Spätadolezsens und es war ihr letzter Abend in Deutschland. Die Band, meine Freundin, ein Freund und ich waren noch unterwegs, haben gelacht und vielleicht haben die Jungs auch noch was getrunken. Oder waren sie straight edge? Wir fuhren nach Hause und die Stimmung war ganz gut. Ich schlief mit dem Freund in dem Bett der Freundin und die Bandmitglieder verteilten sich an strategisch gemütlichen Orten. Tatsächlich kann ich mich noch nicht einmal mehr an den Namen der Band erinnern, es ist egal. 

 "Kat- Look over here". 

Natürlich folgte ich der Aufforderung und ein junger Mann stand dort, mit runtergelassener Hose. Sein Geschlechtsteil entblößt und ich sagte nur: "You have a short one". Lacher auf meiner Seite. Glück gehabt. Ich bin schlagfertig genug und keine Spaßbremse. Trotzdem habe ich mich in dem Moment schrecklich aufgeregt und mein Bettgenosse hat noch nicht einmal verstanden, worum es mir ging. In Erinnerung blieb mir nur, daß mir gesagt wurde, daß das alles nicht so schlimm sei. 

Nein, natürlich ist das nicht schlimm. Es war ja alles nur ein Spaß. Sie verstehen doch Spaß?! -  Ich verstehe augenscheinlich wenig Spaß. Aber so sind sie die Feministinen. Nie lassen sie einen ausreden und immer sind sie gegen Spaß. Wahrscheinlich möchten sie einem auch noch den Mund verbieten und fühlen sich ständig benachteiligt und mockieren sich über feine Unterschiede.

Zunächst: Ich möchte bestimmen, wann ich mir die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale meiner Mitmenschen ansehe. Daß jemand der Meinung ist, ich könnte allzeit in Stimmung für einen Penis sein - von mir aus auch eine Vulva, an dieser Stelle frage ich mich ernsthaft, wie wieviele Frauen auf das ungefragte Zeigen ihrer Scheide kommen - finde ich abstrus. Vielen Dank, natürlich handelt es sich eigentlich um einen höchst natürlichen Teil des Körpers, der einem im Laufe eines Lebens normalerweise mal ins Gesichtsfeld gekommen ist. Ein Penis ist ein Schlong, ein Schwanz oder Stab oder ... Kein Grund, um nervös oder gar ausfallend zu werden. Doch innerhalb unserer westlichen Kultur gilt es nun mal als pietätslos ständig nackig durch die Gegend zu traben. Mögen wir es auch schambehaftet nennen, aber normalerweise zeigen nur die wenigstens Menschen der Bevölkerung wie die Gene sie schufen. Außerdem ist es auch stark Kontext abhängig, wie ich Nacktheit deute. Wenn ich eine Frau am Strand sehe, oben ohne, gehe ich nicht davon aus, daß sie mich sexuell belästigen will.  Anders sieht die Situation aus, wenn ich jemand nachts im Park treffe  und wieder anders wenn ein/e FlitzerIn durch das Stadion sprintet, wo ungefähr gleich viele Männer und Frauen anwesend sind. Vielleicht finde ich das Verhalten unangemessen, aber so sind die heutigen Zeiten nun mal. Bei einer Duschwerbung erwarte ich auch schon einmal, daß ich einen nackten Po sehe. Ich bin also durchaus nicht gänzlich unbedarft und erwarte nicht, daß sich alle Menschen verhüllen, nur weil wir ein anderes Verständinis von Freizügigkeit haben. Trotzdem scheint mir mein Bedürfnis bestimmen zu wollen, wann ich wen nackt sehe, gerade in privaten Räumen, als nicht zu weit hergeholt. Geht damit doch auch eine gewisse Intimität einher und genau diese Intimität - meine Grenze - wurde an diesem Abend in diesem Moment ungefragt eingerissen.

Und dann besitze ich auch noch die Taktlosigkeit nicht darüber zu lachen. Vielleicht habe ich an diesem Abend den Eindruck gemacht, ich sei besonders locker unterwegs - habe ich meine Titten irgendjemanden präsentiert? Einen dummen Spruch gebracht? Nein, ich glaube nicht. Natürlich ist das nur ein Gag, aber es gibt Gründe, warum es sich hierbei um einen schlechten Gag handelt, einer der gewichtigsten habe ich bereits aufgeführt. Und hier ist noch einer: An diesem Abend bin ich das einzige Mädchen im Raum und mir wird noch einmal deutlich gemacht, daß ich anders bin. Ich zweifel stark daran, daß die Jungs diesen Spaß auch fabriziert hätten, wenn nur mein Freund im Raum gewesen wäre. Nur ihn zu schockieren wäre sicherlich langweilig gewesen. Vielleicht hätte man sich nur über Platten unterhalten, über T-Shirts, über das Leben an sich, vielleicht auch über Sex. Aber stop, da ist ein Mädchen, da muß man zwangsläufig irgendwie den kleinen Unterschied deutlich machen, muß man ihr noch mal zeigen, daß sie anders ist.  Für mich nicht nur harmloser Gag, sondern eben auch Sexismus. Verstärkt wird dieses Gefühl auch durch den Rahmen: die Situation ist intim - wir befanden uns alle kurz davor schlafen zu gehen und nicht etwa auf einer Konzertbühne, wo ein gewisses Acting-Out auch Teil einer Kunstperformance sein kann.  Ich bin das einzige Mädchen . Vielleicht gibt es Frauen, die mit einer solchen Situation weniger Probleme haben, sicherlich gibt es die, vielleicht gibt es Frauen, die sich noch bedrängter in dieser Situation gefühlt hätten, vielleicht hätte es auch Männer gegeben, die diese Situation äußerst unangenhem gefunden hätten ... Ganz besonders enttäuscht war ich von der Reaktion meines Freundes, ich solle mich doch nicht so aufregen. Es sei schließlich nichts passiert.

Nein, sicherlich, es ist überhaupt nichts passiert.

 "Die effektivste Art, einen Anspruch zurückzuweisen, ist nicht, gegen ihn zu argumentieren, sondern ihn in den Bereich des Anormalen zu verweisen. Radikalere Anpsrüche stehen immer in Gefahr, als verrückt angesehen zu werden, weil sie nicht in die vorhandene soziale Realität passen, sondern sich auf etwas anderes, etwa die persönliche Erfahrung beziehen." (Boltanski und Honneth: Soziologie der Kritik oder Kristiche Theorie? Ein Gespräch mit Robin Celikates, in: Was ist Kritik, hrsg. v. Rahel Jaeggi u. Tilo Wesche, Frankfurt a. M. 2009, S. 81-114, hier: S. 85.). Außergewöhnlichkeit des Erlebten, Überempfindlichkeit der Protagonistin/des Protagonisten und Unangemessenheit in ihrer/seiner Reaktion, das sind die Punkte, die immer dann bemüht werden, wenn eben nicht mehr der Vorfall  von zentraler Bedeutung ist, sondern die Zurechnungsfähigkeit bzw. die Glaubwürdigkeit der Protagonistin/des Protagonists in den Vordergrund gerückt wird. Boltanski nennt dies Grammatik der Normalität. Spreche ich nicht in dieser Grammatik, kann meine Erfahrung nicht Thema werden und so bleibt meine Kritik ungehört.

Dienstag, 4. Januar 2011

Geschichte unserer Liebe - Brief an D.

"Soeben bist Du zweiundachtzig geworden. Und immer noch bist Du schön, anmutig und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je. Kürzlich habe ich mich von neuem in Dich verliebt, und wieder trage ich in meiner Brust diese zehrende Leere, die einzig die Wärme Deines Körpers an dem meinen aufzufüllen vermag. Nachts sehe ich manchmal die Gestalt eines Mannes, der auf einer leeren Straße in einer öden Landschaft hinter einem Leichenwagen hergeht. Dieser Mann bin ich. Und Du bist es, die der Leichenwagen wegbringt. Ich will nicht bei Deiner Einäscherung dabei sein; ich will kein Gefäß mit Deiner Asche bekommen. Ich höre die Stimme von Kathleen Ferrier, die singt: "Die Welt ist leer, ich will nicht leben mehr", und ich wache auf. Ich lausche auf Deinen Atem, meine Hand berührt Dich. Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen. Oft haben wir uns gesagt, dass wir, sollten wir wundersamerweise ein zweites Leben haben, es zusammen verbringen möchten."  - André Gorz, Brief an D. Geschichte einer Liebe,  Zürich 2007.

"Be Happy For Me" - Percy Gloom von Cathy Malkasian (Rezension)

"Navigating through a series of friendships and disasters, Percy Gloom learns to change his view of life."

Guten Morgen, 5:16, genau die richtige Zeit um entweder Ex-Freunde anzurufen und rührselig in alten Erinnerungen zu waten oder um an der Tanke zu stehen und mit Freunden Dostenstechen zu betreiben, denn "Youth is wasted on the young" und um den Vorzubeugen widmet man sich in der Regel Ritualen der längst verlorenen Teenagerzeit. Natürlich kann man auch lesen. Auch im neuen Jahr wird deswegen über Bücher gebloggt. Heute möchte ich meine Weihnachtsausbeute vorstellen - Percy Gloom von Cathy Malkasian.

Cathy Malkasian kommt eigentlich aus dem Animationsbereich, hat dort vornehmlich das Design und Storyboarding gemacht. Bekannt dürften die Rugrats und Jumanji sein. Auf der Suche nach neuen Herausforderung widmete sie sich dem Comic. Als Einflüsse nennt Cathy, die ganz großen Namen: Seth, Ware, Spiegelman, Crumb und Clowes. Außerdem noch: Japanischen Holzschnitt, flemmische Malerei und die deutschen Expressionisten. Selber scheint sie nicht viele Comics zu lesen, sondern konzentriert sich auf nicht-fiktionale Bücher als Vorbereitung auf neue Bücher. Als Kind las sie die MAD und die Peanuts. Und irgendwie erinnert Percy Gloom, der Protagonist ihrer ersten Graphic Novel, auch an Charlie Brown. Zumindest in seiner stoischen  und lakonischen Art, das Schicksal über sich hinweg fegen zu lassen.


Percy ist wegen eines Jobinterviews in eine fremde Stadt gekommen. Endlich scheint die Stelle als Warnhinweisschreiber bei Safely Now - Cautionary Writing Institute - denn nichts anderes wollte er werden seit er drei Jahre alt war - zum Greifen nahe. Doch auf dem Weg zum Jobinterview lernt er im örtlichen Muffinstore - Percy kann nämlich nichts anderes essen als Buchweizenmuffins und dazu den Saft von 30 Zitronen trinken, anderes verursacht bei ihm in einer allergischen Reaktion Alpträume - eine junge, unausgeglichene Frau kennen: Tammy. Vor allen Dingen ihr infektiöser Zeh weckt seine Aufmerksamkeit, doch Tammy will von Medizin nichts wissen als er ihr rät, diese doch mal anzuwenden und stopft ihm stattdessen in einem Wutanfall ihren Fuß in den Mund. Dummerweise scheint Percys Speichel antiseptisch zu wirken, so daß sie geheilt wird und ihn daraufhin als Mann ihrer zukünftigen Kinder verfolgt. Und so wird Percy immer mehr in das Leben der Stadtbewohner hineingezogen und wird Teil des sich dort abspielenden Dramas. Er entdeckt, was es mit der von Tammy gegründeten Yagapantha-Sekte auf sich hat, die sich mit Vorliebe der Verspeisung von Sterbenden widmet, um ihnen Unsterblichkeit zu schenken. Im übrigen erkennt man die Sterbenden daran, daß sie schrumpfen, nur ihre Ohren sind von diesem Vorgang nicht betroffen und so mag es kaum verwundern, daß Percys Segelohren ihm bald Probleme bereiten werden. 

Surreal ist die Geschichte und exzentrisch, sie atmet das Gefühl einer "Alice im Wunderland" oder eines Tim Burton-Märchens. An jeder Ecke wartet ein skurriler Einfall und trotzdem sind die Themen, die das Buch aufgreift tiefgründig. Beispielsweise das Thema der Überfürsorge: Überspitzt dargestellt in den Tests, die im Caution Writing Institute durchgeführt werden. So testet ein Mitarbeiter in sadomasochistischer Manier mögliche Gefahren durch den Abwurf einer kompletten Enzyklopädie  über seinen Kopf ("Books can  kill"). Selbiger Mitarbeiter lobt Percy auch für seine Voraussicht, daß er sich für "elastic waistband" entschieden hat, um gleich darauf fortzufahren: "But even elastic is a hazard, you know. It catches on things." Gleichzeitig sind in der Stadt Kinder auf der Suche nach einem magischen Stein, denn wenn sie diesen finden und herausziehen, fällt die Stadt ineinander und die Schule fällt aus. Eine Metapher dafür,  daß es die absolute Sicherheit nicht gibt und Sicherheit letztendlich ein fragiles Konstrukt ist. Es scheint als sei Percy Gloom auch im Schatten der Ereignisse des 9/11 entstanden. 
Ein weiteres Hauptthema ist der Umgang mit Tod. Es gibt verschiedene Konzeptionen in diesem Buch, wie mit Tod umgegangen wird. Zu einem der Zweig der männlichen Gloom-Familie, der der Bedeutungslosigkeit  des Lebens entflieht durch den "traditional Gloom deathslap". Auch Percys Freundin schien das Leben eine Farce und schloß sich einer Sekte an, deren Mitglieder Selbstmord begangen. Ganz anders Tammy, der Verlust ihrer Lieblingsziege, schreckte sie so sehr vor dem Sterben, daß sie einen obskuren Kult gründet, um so ihre geliebte Menschen aus ihrem Leben zu verbannen und ihren Tod nicht miterleben zu müssen. - Vielleicht ist das der beste Rat, den Percy bezüglich dieses Schlamassels gibt: "Papa, if you had stayed a while longer you might have found all this pointlessness to be very entertaining."

Der Zeichenstil von Cathy Malkasian ist fast ein wenig Walt Disney-Like, wenn man ihre Vorliebe für das Groteske außen vorläßt. Malkasian findet im Grotesken die größere Ausdrucksmöglichkeit, da Unregelmäßigkeiten im Äußeren die Wahrnehmung des Betrachters schärfen. Panelführung ist meistens konventionell, nur selten spielt sie mit der Form - hierzu ein kleiner Auszug aus einem Interview, das im übrigen lesenswert ist:

"AG: Another interesting device used in both of your graphic novels is the passing of time into a single panel, with the characters appearing in different positions as they walk and speak their dialogue. It’s not an uncommon device in comics, but neither is it used too often. How did you arrive at it? Is it somehow connected to your work as an animator?

CM: This has two antecedents. The first is mediaeval art, when different life events of a saint were all depicted in a single painting. The second is called the “layout” stage in animation. Layout is an intermediate stage between storyboarding and final animation. It is actually a map or plan of a character’s position in space at specific points in time (or frames of film)."


Percy Gloom ist ein guter Start ins neue Jahre und sicherlich produktiver als nächtliche Anrufe, Dosenstechen oder anderer Unsinn (was natürlich nicht heißt, daß Unsinn keine Bereicherung für das Leben ist, denn irgendwie muß man ja das sinnlose Leben ereignisreich gestalten). Erschienen ist das ganze bereits 2007 bei Fantagraphics, eine deutsche Übersetzung ist zur Zeit nicht erhältlich. 2008 erhielt Malkasian für Percy Gloom den Eisner Award in der Sparte "Most promising newcomer" und war ebenfalls nominiert für die beste Graphic Novel. Ich gedenke mir nun auch noch ihren nächsten Comic anzuschaffen, der ebenfalls restlos gute Kritiken bekam: Temperance.

http://www.percygloom.com/
und auch noch bei Facebook: Percy bei FB


"Perhaps if we change our wording just a bit..."Caution" into "Friendly advice"...then the customers will read our warnings again." - Percy Gloom.


In diesem Sinne: Books not Sex!