Dienstag, 26. Oktober 2010

Oh what can I do? I'm feeling blue - Baby's in Black (Rezension)


Astrid Kichherr - Selbstporträt
"Ich sah diese Gesichter auf der Bühne und im selben Moment fiel mein bisheriger Lebensentwurf in sich zusammen und etwas Neues trat an seine Stelle. Zuerst sah ich John, dann die anderen ... Und schließlich Stuart. Er hatte dieses gewisse Etwas, das mir sofort ins Auge sprang – und von dem ich nicht glauben konnte, dass ich es gefunden hatte."
– Astrid Kirchherr

Astrid Kirchherr ist Teil eines Mythos. Sie ist mitverantwortlich dafür, daß die Beatles Pilzkopffrisuren tragen werden. Als sie ihrem damaligen Freund, Stuart Sutcliffe, als erstem einen Pilzkopf schneidet, lacht John Lennon noch darüber. Kirchherr hat die ersten professionellen Fotos von den Beatles geschossen. Diese Fotos sind aber auch der Grund, warum sie mit der Fotographie brach. Es störte sie, immer nur als Beatles-Fotographin wahrgenommen zu werden.  Und sie war bzw. ist mit den Beatles befreundet. "Ich bin von Anfang an sehr stolz auf meine Freunde. Für mich sind sie nicht die Beatles, sie sind meine Freunde."


Ein weiterer Protagonist des Comics Baby's in Black von Arne Bellsdorf ist Klaus Voormann - der älteste Freund der Beatles. Er hat diverse Covers designed u.a. Mando Diao, Turbonegro, Trio, Jimi Hendrix und natürlich die Beatles. Er ist verantwortlich für das Revolver-Design. Außerdem spielte er in Manfred Man Band und in der Band von John Lennon und Yoko Ono Plastic Ono Band. Er hat als music scout  in den achtziger Jahren Trio entdeckt.
Klaus Voorman - Selbstporträt
Im Oktober 1960 bei einem nächtlichen Streifzug über die Reeperbahn, landet Klaus im Kaiserkeller. Er entdeckt Rock'n'Roll, er entdeckt die Band, die später als The Beatles Musikgeschichte schreiben werden. Völlig fasziniert, geradezu atemlos klingelt er nachts bei seiner Freundin Astrid Kirchherr und erzählt ihr, sie müsse unbedingt mitkommen und sich ansehen, was diese Menschen dort auf der Bühne machen. Tatsächlich folgt Astrid ihm an einem der nächsten Abende und auch sie wird mitgerissen von der Musik. Aber nicht nur die Musik, sie scheint sich auch auf den ersten Blick in Stuart Sutcliffe, den damaligen Bassist der Beatles, zu verlieben.

Hamburg painting no. 2, Stuart Sutcliffe
Stuart Sutcliffe wird Astrid Kirchherr heiraten. Er verläßt die Beatles noch bevor diese Erfolg haben, um sich ganz auf die Malerei zu konzentrieren. Sutcliffe war nur bei den Beatles, weil ihn sein Freund John Lennon, den er seit seinen Tagen auf dem Liverpooler College Of Art kannte, darum gebeten hatte. Er ist der fünfte Beatle. Sutcliffe verstirbt im Jahr 1962 in Folge einer Hirnblutung. Die Liebe zwischen Sutcliffe und Kirchherr scheint magisch gewesen zu sein. Pete Best, der damals noch Schlagzeuger bei den Beatles war, bevor Ringo Starr ihn ersetzen sollte, sagt, daß der Beginn dieser Beziehung wie ""one of those fairy stories" war.



Arne Bellsdorf erzählt in dieser Graphic Novel, die bei Reprodukt erschienen ist, die Geschichte einer Liebe. Die Geschichte von Astrid Kirchherr und Stuart Sutcliffe. Und natürlich über die frühen Beatles und den Beginn ihrer Karriere. Gleichzeitig bietet diese Novel aber auch einen Einblick in die Hamburger Subkultur der 60er Jahre. Am Rande blitzen die Konflikte zwischen Rock'n'Roll-Jüngern und der künstlerischen Bohème auf, die sich für Jazz und Existenzisalismus interessierten. Bellsdorf erzählt die Geschichte in starken, kontrastreichen schwarz/weißen, melancholischen Bildern. Er selber dazu in einem Interview: "Eben weil Schwarz-Weiß genau ihre Welt war. Sie hatte dieses Ideal, sich reduziert in Schwarz zu kleiden. Das war ihre Welt und das läßt sich einfach gut in eine Zeichnung übersetzen, die mit diesen Kontrasten Hell/Dunkel arbeitet. Es war total naheliegend, daß ich das so umsetze wie einen Schwarz/Weiß-Film von Jean Cocteau."
Bellsdorf ist es gelungen, den Moment der Liebe auf den ersten Blick graphisch einzufangen. Als Leser mußte ich ein wenig schmunzelen als Astrid sagt, nachdem sie von Klaus gefragt wird, ob er ihr zuviel in punkto Beatles versprochen hätte:  "Nicht ganz. Er [Stuart Sutcliffe] sieht viel besser aus James Dean." Dabei sind es doch nur Musiker, die in einer Kaschemme spielen und dabei im Fall von Sutcliffe auch noch eine Sonnenbrille tragen. Also eigentlich etwas dämlich.  Und immer wieder diese Blicke, die das gegenseitige Interesse der Beiden bekunden, man meint, man ist dabei, wenn man sich die Zeichnungen ansieht. Die graphische Umsetzung der Nachricht, dass Sutcliffe in Folge seiner Gehirnblutung ins Krankenhaus muß, hat Bellsdorf eindrucksvoll gelöst. Die Sprechblasen um Kirchherr bleiben leer. Wie in Trance scheint sie, als sie nach Hause eilt, um Sutcliffe beizustehen.  Bellsdorf: "Gerade der Schluß ist eine Sache, die schwierig zu erzählen ist. Weil es ja eigentlich ein harter Einschnitt ist. Dieser Moment, wenn jemand aus dem Leben gerissen wird, das ist eine Sache, die ich selber nicht erlebt habe und die ich mir einfach so vorgestellt habe, dass es ein Moment der Sprachlosigkeit ist." Aber eben auch ein Moment der Entfremdung von der Realität, der Isolation, der völligen Hilflosigkeit.


Sutcliffe und Kirchherr
"When I think about it now, with hindsight, those feelings I had with Stuart - of love - were the strongest I have ever had in my life. I don’t know how to explain it … It was so intense that sometimes it frightened me."
— Astrid Kirchherr

Heurtebise: "Ich verrate Ihnen das Geheimnis aller Geheimnisse... Die Spiegel sind die Tore, durch die der Tod  kommt und geht. Sagen Sie es niemanden weiter. Und dann noch: Betrachten Sie sich Ihr Leben lang im Spiegel, und Sie sehen den Tod arbeiten wie Bienen in einem gläsernen Bienenstock." 
- Jean Cocteau, "Orphée"







In diesem Sinne: Books not Sex! 

Montag, 25. Oktober 2010

To live in peace, dream and plant potatoes - Willkommen im Mumintal (Rezension)

"Vid min Svans!" - Zu Deutsch: "Bei meinem Schwänzchen!". Ich liebe die Mumins. 

1945 wird die Kinderbuchliteratur durch eine Revolution erschüttert. Es erscheint Pippi
Långstrump
von Astrid Lindgren und Småtrollen och den stora översvämningen (dt. Mumins lange Reise) von Tove Jansson. "...die Märchenfee [hielt sich] versteckt, bis Astrid Lindgren in Småland und Tove Jansson in Finnland geboren wurden.’
  
 Tove Jansson wurde 1914 in Helsinki, Finnland geboren. Ihre Familie gehörte der schwedischsprechende Minderheit an. Ihre Eltern waren Künstler: Viktor Jansson Bildhauer und Signe Hammarsten-Jansson Grafikerin und Illustratorin. Eine kreative als auch exzentrische Umgebung. So soll die Kinderfrau Platon vorgelesen haben und das Haustier Poppolino, ein Äffchen, mit Vorliebe karierte Pullover getragen haben. Tove Jansson studierte Kunst an diversen Hochschulen und arbeitete später als Malerin und Illustratorin. Sie schrieb Novellen, Erwachsenen-und Kinderbücher. Sie zeichnete außerdem Comic-Strips.
Der Mumintroll - bei den Mumins handelt es sich um nilpferdartige Trollwesen, dicker Bauch, dicke Nase und Kulleraugen als Markenzeichen - scheint ein Produkt aus Toves Jugend zu sein. So sagt sie, daß sie einen Prototyp des Mumins (dünn und häßlich mit einer langen Nase und einem teufelsartigen Schwanz) in ihrer Jugend an die heimische WC-Wand gemalt hätte. Untertitelt mit "Kant", nachdem sie einen philosophischen Wettstreit mit ihrem Bruder verloren hatte. Dieser Troll tauchte dann ab 1940 regelmäßig als Erkenneungszeichen bei ihren Strips für das Satiremagazin Garm auf. Tove Jansson starb im Juni 2001.

Der erste Mumin-Comic wurde für die finnland-schwedische Zeitung Ny Tid zwischen den jahren 1947-1949 produziert. Später, 1954-1959, wurden Mumin-Comic-Strips für die englische Evening News geschrieben, Tove Jansson erhielt dabei Unterstützung von ihrem Bruder Lars Jansson. Diese Strips erschienen in über 40 Ländern und in ca. 120 Tageszeitungen mit über 20 Millionen Lesern. Die Mumin-Comic-Strips sind wohl deshalb der bekanntest Comicexportschlager aus Finnland. Die Mumin-Comics werden jetzt in einer fünfbändigen Werkausgabe von Reprodukt veröffentlicht. Zur Zeit sind zwei Bände erhältlich, der dritte Band soll im November 2010 erscheinen. Die Bücher kommen in einem schicken Layout daher: Großformatig und in Halbleinen gebunden. So sind sie nicht nur optisch, sondern auch haptisch einfach ein Genuß. Wer nicht warten kann, kann auf die Werkausgabe zurückgreifen, die bei Drawn & Quarterly erschienen ist. Dort sind bereits alle fünf Bände, ebenfalls im Großformat und Halbleinen, erschienen.

  Auf Grund der Rezptionslage in Deutschland zum Beginn der ersten Muminveröffentlichungen bzw. bei den Comics in den 80ern Jahren gibt es erhebliche Diskrepanzn zum Original. Während Tove Jansson sowohl für Erwachsene als auch Kinder geschrieben hat und sich hier die Grenzen verwischen, wurde sie für den deutschen Markt zunächst als Kinderbuchautorin etabliert. Das beinhaltet, daß die ersten Übersetzungen auf einen kindlichen Kosmos ausgerichtet waren. Intertextuelle Bezüge zur Erwachsenenliteratur wurden getilgt. In den Comics wurde den ProtagonistInnen eine kindliche Sprache in den Mund gelegt. Die Rezensionen zu den frühen Comicveröffentlichungen sind auch nicht gnädig zu nennen: "Die dritte und unterste Schicht schließlich bieten 9 “Comic”-Bücher und “Strips” [...]. Hier ist ein ähnlich bedauerliches Phänomen wie beim frühen Disney und seinen späteren Verirrungen zu finden. Der Erfolg und der breite Publikums-Zuspruch haben die Kunst kommerzialisiert und damit korrumpiert." - Wieder einmal jemand, der von Comics keine Ahnung hatte. Der Comic wurde in Deutschland erst mit Asterix und Obelix aus seiner Schmuddelecke bzw. "Nur-Etwas-Für-Kinder-"Label herausgeholt und heute findet man zahlreiche wissenschaftliche Publikation auf hohem (zumindest sprachlichen) Niveau.

Von daher mag es kein Fehler sein, daß ich die Mumins erst vor ein paar Monaten für mich entdeckte. Doch schon jetzt bin ich diesen skurrilen Geschöpfen verfallen. Die Zeichnungen sind detailiert, phantasievoll und laden dazu ein, genau betrachtet zu werden. Die Panelumrandungen sind teilweise in das Bild eingebunden und lohnen auch einen genauen Blick. Das macht das Buch sicherlich für Kinder ungemein spannend. Jeder wird sich in diese Wese verlieben, die dem Kindchenschema entsprechen, weiche Linien und große Augen. Was mich nun als Erwachsene fasziniert, ist nicht allein die überbordende Phantasie, sondern auch die Skurrilität und Absurdidät der Comics. So ist Muminpapa ein Hochstapler, wie er im Buche steht. Er wartet auf Abenteuer, möchte im Leuchtturm wohnen und schwärmt für guten Whiskey. Gerne wäre er ein Hasardeur - ein Glücksspieler. Muminmama erscheint der ruhende Pol der Familie. Sie hat immer ein guten Ratschlag an der Hand, im Gegenzug aber zu der perfekten Hausmutter und Nachbarin Filifjonka  eher ungewöhnliche Methoden der Geschirreinigung. So wird das dreckige Geschirr erst einmal unter dem Bett gestapelt, bis der nächste Regen es wieder sauber waschen kann oder doch lieber gleich beim Strandbad in den Meeresfluten gespült. Kein Wunder, daß zwischen Muminmama und Filifjonka öftermal ein Konflikt auf Grund von unterschiedlichen Lebensentwürfen entsteht. Das Snorkfräulein, ist nicht nur Mumins Freundin, sondern auch ein flotter Käfer. Sie liebt Schmuck und Romantik und verliert ihr Herz allzu schnell an andere Männer. Eine wunderbare Szene findet sich in Mumin an der Rivera, wo das sonst nackte Snorkfräulein sich unter einer Decke in einen kleinen, blauen Bikini windet. In der Figur des Snorkfräuleins paart sich Naivität und Arroganz und man ist ihr rettungslos verfallen. Mumin dagegen scheint oftmals ein hilfloser Träumer, aber nicht minder liebenswert.
Eine meiner liebsten Geschichten handelt u.a. über einen kleinen, dackelartigen Hund, der ein schreckliches Geheimis mit sich herumträgt. Er würde gerne mit Katzen befreundet sein. Muminmama hilft auf ihre eigene Art dem Kleinen, in dem sie einen anderen Hund als Katze anmalt.

Vielleicht mag ich die Mumins auch, weil sie immer im Klinsch mit den typischen gesellschaftlichen Anforderungen stehen: Geld verdienen, Pflichten übernehmen oder ähnliche spaßraubende Aktivitäten. Die Mumins sind ein hedonistischer Verein, der voller Lebensweisheit steckt:, so entapnnt sich folgender Dialog in The Conscientious Moomins nach dem sie Besuch von einem Vertreter der League of Conscience and Duty hatten und Vater Mumin plötzlich angefixt ist, etwas Anständiges aus seinem Leben zu machen: 
Muminpapa: "I thought we'd start our new life by getting up early."
Mumin: "But what'll we do?"
Muminpapa: "I don't know...It's the principle, early to bed, early to rise."
Muminmama: "Why not get up late and go to bed late?" 
Überflüssig zu erwähnen, daß Frau Filifijonka die komplette Sippschaft kurze Zeit später schlafend im Garten vorfindet.

Und Mümmla rät uns allen: "Leg dich auf die Brücke und schau zu, wie das Wasser vorbeifließt. Oder roll dich zusammen und hör zu, wie der Regen aufs Dach trommelt. Es ist ganz leicht, das leben zu genießen." Sollte ich vergessen, wie man das Leben richtig genießt, hier noch mal als kleiner Reminder: Sicherlich gehört dazu bei diesem schmuddeligen Herbstwetter eine Tasse heißer Kakao, leckere Schoki, eingemummelt unter einer Bettdecke, meine Katze schnurrend am Fußende, die Mumins wieder und wieder lesend. Life but how to live it?!


Zur weiteren Erbauung und eine der wenigen deutschen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen, sei noch folgender Link nachgereicht, aus dem ich im Posting ebenfalls zitiert habe: Mumins wundersame Deutschlandabenteuer, die Dissertation von Jendis.


In diesem Sinne: Books not Sex!




Dienstag, 19. Oktober 2010

Lustgewinn? - Pornographie an meinem Bett

PC-Sex ist  keine leichte Arbeit: Beim Sex gegen das Patriarchat bin ich dabei (auch wenn ich die Verknüfpung von Lust und Reflexion als orgasmusfeindlich empfinde) - zumindest aber, wenn es darum geht, den geistigen und sexuellen Horizont zu erweitern. Also her mit der Pornographie, ich brauche Aufregung in meinem Bett.

Was heißt das eigentlich Pornographie für Frauen? Diese Frage stellt sich nicht nur Jens Friebe, sondern auch die Brigitte und Fit for Fun.  Fernab natürlich von alten Bekannten wie der Bild. Aber auch Blätter mit seriösen Anspruch wie Der Spiegel klären auf. Es zeigt sich: Sex geht augenscheinlich alle etwas an, ob Fitnessfreak, solide Hausmutter, das Proletariat oder die akademischen Zirkel.  Bei meiner Recherche blieb ich auf  Sexfilme für Frauen hängen  und  entschloß mich mit drei Filmen auf Trap zu bringen und sowohl Seh- als auch Sexgewohnheiten zu erneuern: German Beauty (Die Bild da zu: "in diesem Porno geht's wild zu: Rainer Rosig schlafwandelt lustlos durchs Leben. Seine Ehefrau, Immobilien-Maklerin Frauke, sext mit ihren Kunden, um so ihre Häuser zu verkloppen. Auch Rainers Tochter Tatjana ist kein Kind von Traurigkeit und verlustiert sich mit Nachbar Max. Als Rainer die beste Freundin seiner Tochter kennen lernt regt sich was an ihm und er bringt wieder Glanz in seine Hütte. Richtig, „German Beauty“ ist eine Parodie auf „American Beauty“. Es knistert in der Kiste – und die Musik ist auch schön"), Pink Prison und Five Hot Stories For Her.

Nachdem ordnungsgemäß der Hauptfilm des Abends hinter sich gebracht worden war, wir waren zu zweit, wurde verschämt und doch mit leicht nervösem Unterton und Gekicher im Gespräch der Versuch ins Rollen gebracht. Also ja: Ich habe auch Hemmungen über Sex offen zu reden, denn sobald Intimität auftaucht wird Sex zum bekannten Minenfeld, wo jeder geäußerter Wunsch oder jede ausgesprochene Phantasie mit unter die Offenbarung der eigenen Perversion darstellt und potentiell den/die PartnerIn verschrecken könnte und man mit Zurückweisung umgehen müßte. Außerdem scheint die Sozialisation den meisten von uns eingetrichtert zu haben, daß Pornos kein Gemeinschaftsding sind, sondern eher was für das stille Kämmerlein.

Das Experiment startete mit German Beauty. Warum dieser Film jetzt genau zu Frauenpornographie gehören soll (so zumindest laut Bild), erschließt sich mir überhaupt nicht. Vielleicht deswegen, weil bis zum Vollzug des ersten Geschlechtsakts gefühlte zehn Minuten vergehen? Verpackt in schlüpfrigen Dialogen und billiger Requiste ist dieser Film meilenweit davon entfernt, was sich Konsumentinnen von Pornographie wünschen.

So steht anscheinend der Wunsch nach normalen Frauen im Vordergrund und nicht nach hochglanz Superblondinen mit schön gemachten, großen Silikonbrüsten. Ausgehend von meinem sporadischen Wissen über Pornographie möchte ich behautpen, daß dieses Kriterium vor allen Dingen in Vintagefilmen weithin erfüllt war, wo Frauen einen kleinen Bauch haben oder heute durch das einstellen von Amateurfilmen gesichert ist. Die Frage, die sich mir an dieser Stelle stellt, ist aber: Will ich nicht gerade die Illsuion von schönem Sex und gehört dazu nicht auch ein schöner Körper?

Aber was bedeutet "schön" in diesem Zusammenhang? Es ist kein Geheimnis mehr, daß unser ästhetisches Empfinden durch kulturelle Erzeugnisse geprägt ist, wir durch Werbung und Film beeinflußt werden, indem was wir als schön oder ästhetisch wertvoll finden. Hier kann ein kalkulierter Tabubruch durchaus aufrüttelnd wirken und mich zum nachdenken über stereotype Darstellungen bringen, aber wirkt sich dieser Tabubruch auch bereichernd auf mein Sexleben aus? Nein. Ich befürchte, mein Interesse Lieschen Müller und Karl Schmidt beim Sex zu sehen, ist gering. Also doch gefangen in der heterosexuellen Zwangsmaterix. I don't care. Denn auch Filme wie Five Hot Stories haben Protagonistinnen, die ich als "schön" bezeichnen würde, trotz kleiner Brüste oder verrucht: einer Tätowierung.  So ganz mag sich die Pornoindustrie also doch nicht vom Schönheitsideal verabschieden (oder vielleicht habe ich auch die falschen Filme erwischt?), Sexfilmchen mit adipösen Menschen werden wohl immer noch unter Special Interest gehandelt, wobei eine Tätowierung heute einen Menschen nicht mehr zwangsläufig entstellt.  Und letztendlich wird es Konsumentin und Konsument egal sein, denn so lange der Sex stimmt, ist man wohl bereit Tätowierungen zu übersehen.

Das Problem, was ich mit Five Hot Stories hatte, war eher banaler Natur: Meine Kopie war in Spanisch und da ich dieser Sprache nicht mächtig bin, hätte ich mir auch einfach nur einen beliebigen Bumsfilm ansehen können bzw. verlor so schnell die Inszenierung den Reiz, da ich die Dialoge nicht verstanden habe und es sich meiner Erkenntnis entzieht, in wieweit hier mit gängigen Clichés gebrochen wird. Allein die Kameraführung hat mir im ersten Teil noch keine besondere Seite der Erotik offenbart.

Als letzten Film habe ich Pink Prison angefangen. Dieser Film ist auf narrativer Ebene tatsächlich interessant, bricht er doch direkt am Anfang mit der Figur der allzeitbereiten Lady , die es kaum erwarten kann, gevögelt zu werden (spannend natürlich auch die Frage: Was ist mit dem allzeitbereiten Mann? Oder sind Männer tatsächlich doch nur diese Typen, die immer an Sex denken? Immer können und immer wollen und sowieso gut bestückt durch die Gegend rennen?). Die erste Sexszene zeigt dann auch tatsächlich eine Frau, die einen Mann bei der Masturbation beobachtet und davon angetörnt wird. Insgesamt wird die Hauptdarstellerin als starke Frau inszeniert, die weiß, was sie wann will. Und natürlich gefällt mir das. Trotzdem wurde der Film spätestens da ausgemacht, wo Gemüse mit in das Sexspiel einbezogen worden ist.

Filme aus dem frauenfreundlichen Genre werden im übrigen auch als HeartCore bzeichnet. Diese Begrifflichkeit greift aber auch nur ein gesellschaftliches Stereotyp auf, werden hier doch pornographische Filme mit einer "weichen" und "emotionalen" Seite und Weiblichkeit verbunden - eben das Herz für Frauen und das Harte für die Männer. Aus dem gleichen Grund wehre ich mich auch von Erotik zu sprechen, scheint mir dieser Begriff eine Abstufung zum Begriff der Pornographie zu beinhalten. Ich zumindest will explizite Sexszenen und nicht erotische Abenteuer sehen, die ich so auch ab 20 Uhr im Fernsehen geboten bekomme.

Eine weiterhin wichtige Frage, die für mich den verantwortungsvollen Umgang mit Sex bzw. Pornographie ausmacht - natürlich auf allerlei Geschlechter bezogen - , ist die Art der Produktionsbedingung. Ein Pornofilm kann nach außen hin bzw. innerhalb des Plots und der Story mit Vielerlei brechen (hier beispielsweise die Forderung im Puzzy Power Manifesto), dies ist sicherlich wünschenswert. Bin ich ein/e aufgeklärte/r ZuschauerIn, sollte es mir jeder Zeit möglich sein, zu erkennen, daß es sich um einen Film handelt, also um eine Narration und keineswegs die Wirklichkeit abbildet. Daß dieser Film auch Rückwirkungen auf unsere Wahrnhemung haben kann, möchte ich nicht bezweifeln bzw. habe dies auch bereits kurz in einem vorherigen Absatz angerissen, sehe hier aber immer noch mehr Spielraum und mit entsprechender Kompetenz noch lange nicht die größte Gefahr (außer eben, daß es in der Pornographie oftmals heißt: Porn for white, middleclass men by white, middleclass men und so relevante andere Praktiken und Möglichkeiten der Ausgestaltung von Sexualität unterschlagen werden). Als wichtiger emfpinde ich, daß alle Sexszenen freiwillig gedreht wurden und nicht unter ökonomischen Zwängen erfolgen (Überraschungsmomente, was auf SchauspielerInnen am Set zukommt und sollten sie nicht mitmachen, wird eben der oder die Nächstwillige gebucht). Was jemand erregend findet oder nicht, was er mit sich machen lassen will oder eben nicht, mag jenseits meiner Vorstellungskraft liegen, wichtig erscheint mir nur, daß die vor der Kamera stehende Person in all ihren Bedürfnissen respektiert und anerkannt wird. Darüber scheint man sich auch bei dem PorYes-Award Gedanken gemacht zu haben, wenn man deren Kriterien betrachtet.