Mittwoch, 30. Mai 2012

" " - Athos in America von Jason (Rezension)



'Saying nothing... sometimes says the most.' (E.Dickinson) 

Der norwegische Comiczeichner Jason, bürgerlich John Arne Sæterøy, beherrscht die Kunst, seine Geschichten ohne viele Worte zu erzählen. Seine Comics heben sich durch eine Reihe von Merkmalen vom Mainstream ab:  Markant für sein gesamtes Schaffen ist die reduzierte Wortwahl in seinen Comicgeschichten. Die Leserin und Leser müssen also einen Großteil selber leisten, um die so entstehenden Informationslücken zu schließen - also das, was Scott McCloud in Understanding comics als gutter (dt. Rinnstein) bezeichnet. Jasons Geschichten wirken oftmals melancholisch und haben einen ironischen Unterton, dank der wenigen Worte, die Jason verliert und dem Geschehen in seinen Bildern. Die Comics zeichnet er in dem von Hergé bekannten Ligne Claire Stil, was ebenfalls die Reduktion auf das Wesentliche widerspiegelt. Charaktere in seinen Comics sind  anthropomorphe Tiere, ganz so wie bei Spiegelmanns Maus. Den Tieren fehlt es außerdem an Augen, dort wo Pupille und Regenbogenhaut sein sollte, begegnet dem Leser und der Leserin ein weißes Nichts. Noch mehr Raum entsteht, der es der Lesenden zur Aufgabe überläßt, gefüllt zu werden. 
Seine Inspiration zieht Jason aus B Movies und Genrefilmen:
"Left bank gang" and "Living and dead" are closer to the type of stories I want to tell, just playing around with genres. A lot of my favourite books and films are genre stories. There are some rules you have to follow, but at the same time you have a lot of freedom to put in whatever you want. You can slightly mock the genres but at the same time try to achieve what's fun about them. (Jason in einem Interview von 2007)
Quelle: KGB Yard Sale
Zu seinen weiteren Inspirationsquellen zählt er u.a. Kultfiguren wie: Jim Jarmusch, Wes Anderson, Aki Kaurismäki. Jaime Hernandez und Daniel Clowes. So pendeln seine Geschichten zwischen Pop und Beat, Werwölfen und Zombies. Jason läßt Genres die Spielregeln bestimmen, nur um sie zu brechen. Letztendlich sollen seine Comics vor allem eins sein: lesbar. Dazu trägt auch die strikte Seitenaufteilung von sechs bis zu neun Panels bei (nun ja, Athos in America hat vier pro Seite), die den Rhythmus jeder Geschichte bestimmt. Zum Colouring nur soviel: Das wird nicht von Jason erledigt, sondern von Hubert, seine Farbenwahl ist gleichmäßig und ruhig und sind eine hervorragende  Ergänzung zu den einzelnen Geschichten.

Der Band Athos in America (in Amerika von Fantagraphics, in Deutschland leider noch nicht erhältlich, einzelne Bände von Jasons Arbeit bei Reprodukt) faßt sechs Kurzgeschichten zusammen, ganz ähnlich wie das zuvor veröffentlichte Low Moon. Der Titel Athos in America lehnt sich als Art Prequel an the Last Musketeer (Wird beworben als ein wildes Mash up von die Drei Musketiere und Flash Gordon) an.

In der Titelgeschichte Athos in America lernt man den melancholischen, stets höflichen Athos kennen, der einem amerikanischen Barkeeper sein Herz ausschüttet. Athos ist ein Anachronismus in seinem ganzen Verhalten und Aussehen und die Story lebt von einer melancholisch-lakonischen Grundatmossphäre. Angesiedelt im New York der 20er Jahre meint man geradezu den Jazz als Untermalung der Geschichte zu hören. Der Schluss kommt ganz ohne Worte aus und verstärkt noch einmal das Gefühl von Einsamkeit und Isoliertheit des Titelheldens.

A cat from heaven läßt unweigerlich an Bukowski denken. Jason inszeniert sich als versoffenen Comiczeichner, der nicht davor zurück schreckt, seine Freundin zu schlagen. Die darauf folgende rosenkriegerische Trennung zieht den weitern Absturz des Autors nach sich. A cat from heaven illustriert die Spirale nach Unten, die dann wieder am Anfang endet und man kann sich fragen, ob es sich da nicht um einen Teufelkreis handelt. Der im dichterischen Fall gerne als romantische Story inszeniert wird, in der die Frau natürlich ohne mit der Wimper zu zucken, das jammernde Häuflein Elend wieder bei sich aufnimmt. Man könnte natürlich auch spekulieren, daß nach der häuslichen Gewalt der soziale Abstieg folgt und sich somit ja schon latent eine Kritik am Verhalten des Protagonisten abzeichnet. Ganz so wie die BRAVO in ihren Fotolovestories gerne besonders dick aufträgt, damit auch jeder erkennt, gegen welche Stereotypn und Ungerechtigkeiten gekämpft wird.

Quelle: http://comic-news.ansipedi.com/athos-in-america
Meine Lieblingsstory ist die Collage aus The brain that doesn´t die und Who´s afraid of Virgina Woolf. Tragischer Weise ist von der Frau des verrückten Wissenschaftlers nur noch ihr Kopf erhalten. Dieser wird durch eine Erfindung von ihrem Mann lebendig gehalten. Er begibt sich nun auf die Suche nach geeigenten Ersatzkörpern, um seine Ehe zu retten. Etwas, daß in seiner Absurdität nur im B-Movie vorkommt oder aber im Comic.

Weitere Stories im Buch: Tom Waits in America, The  smiling horse und So long Mary Ann. Auch hier finden sich oben bereits genannte Versatzstücke: Gangster und Pulp Fiction, Gewalt und wenig Worte. Jasons Arbeit scheint ein Panoptikum der Popkultur und Querverweise, ungeniert bedient er sich aus den unterschiedlichen Genres, nur um ihre Regeln zu brechen. Eine Hommage mit Augenzwinkern, in dem die fehlende Emotionslosgkeit der ProtagonistInen und ihre oftmalige Sprachlosigkeit, die LeserInen auffordert, ganz genau hinzusehen.

Wer sich ein Bild von Jasons Schaffen machen möchte, kann hier bei der New York Times seine Geschichte Low Moon lesen. Seinen eigenen Blog Cats without dogs gibt es hier: klick.