Donnerstag, 13. Januar 2011

Teddys Tag im Zoo: Wombat - "The Wombat is a Joy, a Triumph, a Delight, a Madness!"

Okay. Punk, Sex, Bücher. Die glorreichen Drei. Ein Hoch auf verschwendete Zeit, ein Abgesang auf die Postadoleszens, den finanziellen Ruin ... Doch ein weiteres Hobby raubt mir Zeit und Energie: Dogwatching, Animalspotting, Catsitting.  Die Freude über ein neuentdecktes plüschiges oder schuppiges Wesen, das mit gefährlichen Spzialwaffen ausgestattet ist im Kampf gegen Gangster und Freßfeinde ... Die Freude, die man empfindet, wenn man wieder merkt, daß die Natur für alles eine Antwort hat -  und all dieses Wissen, das kann einem schon mal den Smalltalk erleichtern: hinter dem Tresen, in der Disco oder an der Tankstelle. Wer nur über das Wetter reden kann, ist ein Miesepeter. Also für alle, die gerne mit ihrem Fachwissen über die Fauna glänzen wollen, hier eine neue Rubrik: "Teddys Tag im Zoo".

"Wäre es nicht schön, wenn der Frankfurter Zoo ein Wombat-Pärchen erwerben könnte? Ich kann mich an diese freundlichen und rundlichen Tiere mit viel Identifikation aus meiner Kindheit erinnern..." -  Theodor W. Adorno in einem Brief an den Zoologen Bernhard Grizmek (Müller-Doohm, Stefan: Adorno. Eine Biographie, Frankfurt a. Main 2003).


Bevor ich mich jetzt in Anekdoten über Adorno verliere ("Ein großer Mann stand ihm [Adorno, K] gegenüber, eindrucksvoll, eine Frankfurter Geschäftspersönlichkeit. Er klagte bei Adorno über das Fernsehen, das er  sich ins Haus geholt hatte. '"Was soll ich nur machen. Von Ihnen als Soziologie-Professor erhoffe ich mir einen Rat. Meine Kinder bringe ich nicht mehr vom Fernsehappart weg. Was soll ich da bloß tun?' Adorno schaute ihn erstaunt-amüsiert an und sagte, seine Hände gestisch in Kopfhöhe bewegend: 'Kinder totschlagen, Kinder totschlagen.'" Schmitdchen, Gerhard: Der Gesang des Denkens. Mein Weg zu Adorno, in: Adorno-Portraits. Erinnerungen von Zeitgenossen, hrsg. v. Stefan Müller-Doohm, Frankfurt a. Main 2007. ), zurück zum Smalltalkthema: Wombat und somit vielleicht auch eine weitere Dimension in Teddy Adornos Leben entdecken.

Diprotodon optatum
Der eigentlich Vorfahr des Wombats ist der sogenannte Diprotodon optatum - das größte Beuteltier, das jemals gelebt hat (Abgefahren: Was konnte der wohl in seinem Beutel mitschleppen?). Seine Nachfahren sind die heute lebenden zwei Gattungen: Haarnasenwombat (Lasiorhunis) und Nacktnasenwombat (Vombatus ursinus). Wombats nennt man auch ganz gerne Plumpbeutler. Den Namen erhielt das possierliche Tier von den Aborigines, die ihn u.a. als whom-batt bezeichneten.

Wombats haben nicht nur die Form eines kompakten Bulldozers, sie sind sogar Bulldozer. Die kleinen Augen und Ohren, der kurze Nacken und der starke Körperbau mit kraftvollen Schultern und Beinen - prädestiniert um unterirdisch zu graben. Der abgeflachte Vorderkopf wird dabei oft als Rammbock benutzt. Mit den Vorderbeinen wird gegraben, die Hinterbeine schaufelen dann den ganzen Dreck an die Erdoberfläche. Das rauhe Fell des Wombats - in etwa eine Textur wie eine Fußmatte - eignet sich hervorragend als Wetterschutz. Sie erreichen eine Größe von ca. 70-120 cm und ein Gewicht von 20 bis zu 40 kg.


Der Tagesablauf eines Wombats: lange in den Tag hinein schlafen, erst in der Dunkelheit die Lage austesten. Denn zuviel Hitze oder Sonnenlicht sind tödlich für einen Wombat. Am liebsten futtern sie Gras. Und sie sind Einzelgänger. Trotzdem verfolgen sie keine strikte Territoriumspolitik, ein bißchen Abstand zueinander reicht ihnen meist, um gemütlich weiter zu fressen. Zur Kommunikation verwenden Wombats gewöhnlich keine Geräusche, sie erkennen sich am Geruch und an ihren Ausscheidungen.


Aus: How to scratch a Wombat
Ein Jungtier kommt schon nach 20 Tagen auf die Welt. Die folgenden ca. sechs Monate verbleibt das Jungtier im Beutel der Mutter - der Beutel befindet sich mit seiner Öffnung zu den Hinterbeinen am unteren Bauchrand -  und ernährt sich von ihr. Erst im 6. Monat beginnt das Jungtier seine Umgebung außerhalb des Beutels zu erkunden. Zwischen dem 12-15 Monaten hört das Jungtier auf Milch zu trinken, meist verweigert die Mutter im entsprechenden Alter ihre Zitzen durch das flache Hinlegen auf den Bauch. Im Alter von zwei Jahren ist der Wombat unabhängig und mit drei Jahren geschlechtsreif. 

Das Paarungsverhalten gleicht einem "Hasch mich, ich bin der Frühling". In den ersten beiden Tagen wirken Männlein wie Weiblein wie Spinnefeind, doch am letzten Tag bekommt das Verhalten einen spielerischen Charakter und wenn sich das Weibchen in ihren Bau zurück zieht - Wombats leben in oftmals selbstgegrabenen Bauten - folgt das Männchen zur Paarung. 

Meine Informationen beziehe ich aus diesem wundervollen, kleinem nützlichen Buch: French, Jackie: How to scratch a Wombat. Where to find it ...What to feed it ...Why it sleeps all day, New York 2009.  Die Autorin scheint eine wahre Wombatkennerin zu sein, immerhin ist dies schon ihr drittes Buch über diese wundervollen Tiere (Als Expertin qualifiziert sie ihre jahrelange Erfahrung mit diesen Tieren). Als weitere Titel der Autorin sind zu nennen: Diary of a Wombat und Diary of a Baby Wombat. 

Und noch was zur Erbauung: der Maler, Designer, Übersetzer und Poet Dante Gabriel Rossetti ließ sich künstlerisch inspirieren und verfaßte die Ode an einen Wombat (Ode to a Wombat):

O how the family affections combat
Within this heart, and each hour flings a bomb at
My burning soul! Neither from owl nor from bat
Can peace be gained until I clasp my wombat.



In diesem Sinne: "Why was man put on earth? Tigerfood!"

Donnerstag, 6. Januar 2011

Nächtliche Anekdote - Boltanski und Hardcore

Die Band war befreundet mit einer Freundin. Sie waren verdammt jung, naja, nicht zwölf, sondern in der Spätadolezsens und es war ihr letzter Abend in Deutschland. Die Band, meine Freundin, ein Freund und ich waren noch unterwegs, haben gelacht und vielleicht haben die Jungs auch noch was getrunken. Oder waren sie straight edge? Wir fuhren nach Hause und die Stimmung war ganz gut. Ich schlief mit dem Freund in dem Bett der Freundin und die Bandmitglieder verteilten sich an strategisch gemütlichen Orten. Tatsächlich kann ich mich noch nicht einmal mehr an den Namen der Band erinnern, es ist egal. 

 "Kat- Look over here". 

Natürlich folgte ich der Aufforderung und ein junger Mann stand dort, mit runtergelassener Hose. Sein Geschlechtsteil entblößt und ich sagte nur: "You have a short one". Lacher auf meiner Seite. Glück gehabt. Ich bin schlagfertig genug und keine Spaßbremse. Trotzdem habe ich mich in dem Moment schrecklich aufgeregt und mein Bettgenosse hat noch nicht einmal verstanden, worum es mir ging. In Erinnerung blieb mir nur, daß mir gesagt wurde, daß das alles nicht so schlimm sei. 

Nein, natürlich ist das nicht schlimm. Es war ja alles nur ein Spaß. Sie verstehen doch Spaß?! -  Ich verstehe augenscheinlich wenig Spaß. Aber so sind sie die Feministinen. Nie lassen sie einen ausreden und immer sind sie gegen Spaß. Wahrscheinlich möchten sie einem auch noch den Mund verbieten und fühlen sich ständig benachteiligt und mockieren sich über feine Unterschiede.

Zunächst: Ich möchte bestimmen, wann ich mir die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale meiner Mitmenschen ansehe. Daß jemand der Meinung ist, ich könnte allzeit in Stimmung für einen Penis sein - von mir aus auch eine Vulva, an dieser Stelle frage ich mich ernsthaft, wie wieviele Frauen auf das ungefragte Zeigen ihrer Scheide kommen - finde ich abstrus. Vielen Dank, natürlich handelt es sich eigentlich um einen höchst natürlichen Teil des Körpers, der einem im Laufe eines Lebens normalerweise mal ins Gesichtsfeld gekommen ist. Ein Penis ist ein Schlong, ein Schwanz oder Stab oder ... Kein Grund, um nervös oder gar ausfallend zu werden. Doch innerhalb unserer westlichen Kultur gilt es nun mal als pietätslos ständig nackig durch die Gegend zu traben. Mögen wir es auch schambehaftet nennen, aber normalerweise zeigen nur die wenigstens Menschen der Bevölkerung wie die Gene sie schufen. Außerdem ist es auch stark Kontext abhängig, wie ich Nacktheit deute. Wenn ich eine Frau am Strand sehe, oben ohne, gehe ich nicht davon aus, daß sie mich sexuell belästigen will.  Anders sieht die Situation aus, wenn ich jemand nachts im Park treffe  und wieder anders wenn ein/e FlitzerIn durch das Stadion sprintet, wo ungefähr gleich viele Männer und Frauen anwesend sind. Vielleicht finde ich das Verhalten unangemessen, aber so sind die heutigen Zeiten nun mal. Bei einer Duschwerbung erwarte ich auch schon einmal, daß ich einen nackten Po sehe. Ich bin also durchaus nicht gänzlich unbedarft und erwarte nicht, daß sich alle Menschen verhüllen, nur weil wir ein anderes Verständinis von Freizügigkeit haben. Trotzdem scheint mir mein Bedürfnis bestimmen zu wollen, wann ich wen nackt sehe, gerade in privaten Räumen, als nicht zu weit hergeholt. Geht damit doch auch eine gewisse Intimität einher und genau diese Intimität - meine Grenze - wurde an diesem Abend in diesem Moment ungefragt eingerissen.

Und dann besitze ich auch noch die Taktlosigkeit nicht darüber zu lachen. Vielleicht habe ich an diesem Abend den Eindruck gemacht, ich sei besonders locker unterwegs - habe ich meine Titten irgendjemanden präsentiert? Einen dummen Spruch gebracht? Nein, ich glaube nicht. Natürlich ist das nur ein Gag, aber es gibt Gründe, warum es sich hierbei um einen schlechten Gag handelt, einer der gewichtigsten habe ich bereits aufgeführt. Und hier ist noch einer: An diesem Abend bin ich das einzige Mädchen im Raum und mir wird noch einmal deutlich gemacht, daß ich anders bin. Ich zweifel stark daran, daß die Jungs diesen Spaß auch fabriziert hätten, wenn nur mein Freund im Raum gewesen wäre. Nur ihn zu schockieren wäre sicherlich langweilig gewesen. Vielleicht hätte man sich nur über Platten unterhalten, über T-Shirts, über das Leben an sich, vielleicht auch über Sex. Aber stop, da ist ein Mädchen, da muß man zwangsläufig irgendwie den kleinen Unterschied deutlich machen, muß man ihr noch mal zeigen, daß sie anders ist.  Für mich nicht nur harmloser Gag, sondern eben auch Sexismus. Verstärkt wird dieses Gefühl auch durch den Rahmen: die Situation ist intim - wir befanden uns alle kurz davor schlafen zu gehen und nicht etwa auf einer Konzertbühne, wo ein gewisses Acting-Out auch Teil einer Kunstperformance sein kann.  Ich bin das einzige Mädchen . Vielleicht gibt es Frauen, die mit einer solchen Situation weniger Probleme haben, sicherlich gibt es die, vielleicht gibt es Frauen, die sich noch bedrängter in dieser Situation gefühlt hätten, vielleicht hätte es auch Männer gegeben, die diese Situation äußerst unangenhem gefunden hätten ... Ganz besonders enttäuscht war ich von der Reaktion meines Freundes, ich solle mich doch nicht so aufregen. Es sei schließlich nichts passiert.

Nein, sicherlich, es ist überhaupt nichts passiert.

 "Die effektivste Art, einen Anspruch zurückzuweisen, ist nicht, gegen ihn zu argumentieren, sondern ihn in den Bereich des Anormalen zu verweisen. Radikalere Anpsrüche stehen immer in Gefahr, als verrückt angesehen zu werden, weil sie nicht in die vorhandene soziale Realität passen, sondern sich auf etwas anderes, etwa die persönliche Erfahrung beziehen." (Boltanski und Honneth: Soziologie der Kritik oder Kristiche Theorie? Ein Gespräch mit Robin Celikates, in: Was ist Kritik, hrsg. v. Rahel Jaeggi u. Tilo Wesche, Frankfurt a. M. 2009, S. 81-114, hier: S. 85.). Außergewöhnlichkeit des Erlebten, Überempfindlichkeit der Protagonistin/des Protagonisten und Unangemessenheit in ihrer/seiner Reaktion, das sind die Punkte, die immer dann bemüht werden, wenn eben nicht mehr der Vorfall  von zentraler Bedeutung ist, sondern die Zurechnungsfähigkeit bzw. die Glaubwürdigkeit der Protagonistin/des Protagonists in den Vordergrund gerückt wird. Boltanski nennt dies Grammatik der Normalität. Spreche ich nicht in dieser Grammatik, kann meine Erfahrung nicht Thema werden und so bleibt meine Kritik ungehört.

Dienstag, 4. Januar 2011

Geschichte unserer Liebe - Brief an D.

"Soeben bist Du zweiundachtzig geworden. Und immer noch bist Du schön, anmutig und begehrenswert. Seit achtundfünfzig Jahren leben wir nun zusammen, und ich liebe Dich mehr denn je. Kürzlich habe ich mich von neuem in Dich verliebt, und wieder trage ich in meiner Brust diese zehrende Leere, die einzig die Wärme Deines Körpers an dem meinen aufzufüllen vermag. Nachts sehe ich manchmal die Gestalt eines Mannes, der auf einer leeren Straße in einer öden Landschaft hinter einem Leichenwagen hergeht. Dieser Mann bin ich. Und Du bist es, die der Leichenwagen wegbringt. Ich will nicht bei Deiner Einäscherung dabei sein; ich will kein Gefäß mit Deiner Asche bekommen. Ich höre die Stimme von Kathleen Ferrier, die singt: "Die Welt ist leer, ich will nicht leben mehr", und ich wache auf. Ich lausche auf Deinen Atem, meine Hand berührt Dich. Jeder von uns möchte den anderen nicht überleben müssen. Oft haben wir uns gesagt, dass wir, sollten wir wundersamerweise ein zweites Leben haben, es zusammen verbringen möchten."  - André Gorz, Brief an D. Geschichte einer Liebe,  Zürich 2007.

"Be Happy For Me" - Percy Gloom von Cathy Malkasian (Rezension)

"Navigating through a series of friendships and disasters, Percy Gloom learns to change his view of life."

Guten Morgen, 5:16, genau die richtige Zeit um entweder Ex-Freunde anzurufen und rührselig in alten Erinnerungen zu waten oder um an der Tanke zu stehen und mit Freunden Dostenstechen zu betreiben, denn "Youth is wasted on the young" und um den Vorzubeugen widmet man sich in der Regel Ritualen der längst verlorenen Teenagerzeit. Natürlich kann man auch lesen. Auch im neuen Jahr wird deswegen über Bücher gebloggt. Heute möchte ich meine Weihnachtsausbeute vorstellen - Percy Gloom von Cathy Malkasian.

Cathy Malkasian kommt eigentlich aus dem Animationsbereich, hat dort vornehmlich das Design und Storyboarding gemacht. Bekannt dürften die Rugrats und Jumanji sein. Auf der Suche nach neuen Herausforderung widmete sie sich dem Comic. Als Einflüsse nennt Cathy, die ganz großen Namen: Seth, Ware, Spiegelman, Crumb und Clowes. Außerdem noch: Japanischen Holzschnitt, flemmische Malerei und die deutschen Expressionisten. Selber scheint sie nicht viele Comics zu lesen, sondern konzentriert sich auf nicht-fiktionale Bücher als Vorbereitung auf neue Bücher. Als Kind las sie die MAD und die Peanuts. Und irgendwie erinnert Percy Gloom, der Protagonist ihrer ersten Graphic Novel, auch an Charlie Brown. Zumindest in seiner stoischen  und lakonischen Art, das Schicksal über sich hinweg fegen zu lassen.


Percy ist wegen eines Jobinterviews in eine fremde Stadt gekommen. Endlich scheint die Stelle als Warnhinweisschreiber bei Safely Now - Cautionary Writing Institute - denn nichts anderes wollte er werden seit er drei Jahre alt war - zum Greifen nahe. Doch auf dem Weg zum Jobinterview lernt er im örtlichen Muffinstore - Percy kann nämlich nichts anderes essen als Buchweizenmuffins und dazu den Saft von 30 Zitronen trinken, anderes verursacht bei ihm in einer allergischen Reaktion Alpträume - eine junge, unausgeglichene Frau kennen: Tammy. Vor allen Dingen ihr infektiöser Zeh weckt seine Aufmerksamkeit, doch Tammy will von Medizin nichts wissen als er ihr rät, diese doch mal anzuwenden und stopft ihm stattdessen in einem Wutanfall ihren Fuß in den Mund. Dummerweise scheint Percys Speichel antiseptisch zu wirken, so daß sie geheilt wird und ihn daraufhin als Mann ihrer zukünftigen Kinder verfolgt. Und so wird Percy immer mehr in das Leben der Stadtbewohner hineingezogen und wird Teil des sich dort abspielenden Dramas. Er entdeckt, was es mit der von Tammy gegründeten Yagapantha-Sekte auf sich hat, die sich mit Vorliebe der Verspeisung von Sterbenden widmet, um ihnen Unsterblichkeit zu schenken. Im übrigen erkennt man die Sterbenden daran, daß sie schrumpfen, nur ihre Ohren sind von diesem Vorgang nicht betroffen und so mag es kaum verwundern, daß Percys Segelohren ihm bald Probleme bereiten werden. 

Surreal ist die Geschichte und exzentrisch, sie atmet das Gefühl einer "Alice im Wunderland" oder eines Tim Burton-Märchens. An jeder Ecke wartet ein skurriler Einfall und trotzdem sind die Themen, die das Buch aufgreift tiefgründig. Beispielsweise das Thema der Überfürsorge: Überspitzt dargestellt in den Tests, die im Caution Writing Institute durchgeführt werden. So testet ein Mitarbeiter in sadomasochistischer Manier mögliche Gefahren durch den Abwurf einer kompletten Enzyklopädie  über seinen Kopf ("Books can  kill"). Selbiger Mitarbeiter lobt Percy auch für seine Voraussicht, daß er sich für "elastic waistband" entschieden hat, um gleich darauf fortzufahren: "But even elastic is a hazard, you know. It catches on things." Gleichzeitig sind in der Stadt Kinder auf der Suche nach einem magischen Stein, denn wenn sie diesen finden und herausziehen, fällt die Stadt ineinander und die Schule fällt aus. Eine Metapher dafür,  daß es die absolute Sicherheit nicht gibt und Sicherheit letztendlich ein fragiles Konstrukt ist. Es scheint als sei Percy Gloom auch im Schatten der Ereignisse des 9/11 entstanden. 
Ein weiteres Hauptthema ist der Umgang mit Tod. Es gibt verschiedene Konzeptionen in diesem Buch, wie mit Tod umgegangen wird. Zu einem der Zweig der männlichen Gloom-Familie, der der Bedeutungslosigkeit  des Lebens entflieht durch den "traditional Gloom deathslap". Auch Percys Freundin schien das Leben eine Farce und schloß sich einer Sekte an, deren Mitglieder Selbstmord begangen. Ganz anders Tammy, der Verlust ihrer Lieblingsziege, schreckte sie so sehr vor dem Sterben, daß sie einen obskuren Kult gründet, um so ihre geliebte Menschen aus ihrem Leben zu verbannen und ihren Tod nicht miterleben zu müssen. - Vielleicht ist das der beste Rat, den Percy bezüglich dieses Schlamassels gibt: "Papa, if you had stayed a while longer you might have found all this pointlessness to be very entertaining."

Der Zeichenstil von Cathy Malkasian ist fast ein wenig Walt Disney-Like, wenn man ihre Vorliebe für das Groteske außen vorläßt. Malkasian findet im Grotesken die größere Ausdrucksmöglichkeit, da Unregelmäßigkeiten im Äußeren die Wahrnehmung des Betrachters schärfen. Panelführung ist meistens konventionell, nur selten spielt sie mit der Form - hierzu ein kleiner Auszug aus einem Interview, das im übrigen lesenswert ist:

"AG: Another interesting device used in both of your graphic novels is the passing of time into a single panel, with the characters appearing in different positions as they walk and speak their dialogue. It’s not an uncommon device in comics, but neither is it used too often. How did you arrive at it? Is it somehow connected to your work as an animator?

CM: This has two antecedents. The first is mediaeval art, when different life events of a saint were all depicted in a single painting. The second is called the “layout” stage in animation. Layout is an intermediate stage between storyboarding and final animation. It is actually a map or plan of a character’s position in space at specific points in time (or frames of film)."


Percy Gloom ist ein guter Start ins neue Jahre und sicherlich produktiver als nächtliche Anrufe, Dosenstechen oder anderer Unsinn (was natürlich nicht heißt, daß Unsinn keine Bereicherung für das Leben ist, denn irgendwie muß man ja das sinnlose Leben ereignisreich gestalten). Erschienen ist das ganze bereits 2007 bei Fantagraphics, eine deutsche Übersetzung ist zur Zeit nicht erhältlich. 2008 erhielt Malkasian für Percy Gloom den Eisner Award in der Sparte "Most promising newcomer" und war ebenfalls nominiert für die beste Graphic Novel. Ich gedenke mir nun auch noch ihren nächsten Comic anzuschaffen, der ebenfalls restlos gute Kritiken bekam: Temperance.

http://www.percygloom.com/
und auch noch bei Facebook: Percy bei FB


"Perhaps if we change our wording just a bit..."Caution" into "Friendly advice"...then the customers will read our warnings again." - Percy Gloom.


In diesem Sinne: Books not Sex!