Quelle: www.phonogramcomic.com |
Samstagabend. Der im wöchentlichen Rhythmus wiederkehrende Ausgehzwang, temporäre Erholung vom falschen Leben. Zentrales Moment aller Teenager, Twentiesomethings und Singles. Das Epizentrum von Lust, Liebe und Schmerz. Unterlegt mit einem Soundtrack, der sich oftmals länger im Gedächtnis hält als der Geburtstag oder das Alter der eigenen Geschwister. Hochkonzentriert, verdichtet, Tragik und Komik, so ist das Leben im Club. Und das jedes Wochenende.
Musik bedeutet alles. Außer den Leuten, die sagen, daß sie am liebsten Radio hören. Musik ist Magie und Phonomancer sind die Magier, die durch Musik andere Menschen ver- bzw. bezaubern und ihre Wünsche befriedigen können. Kurz: Phonogram beschreibt das, was Musik mit musikbesessenen Menschen anstellt. Was High Fideltiy für den Plattensammler und Mixtapeersteller, das ist die Miniserie Phonogram für Indieboys und Riotgrrrls.
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Der erste Band Phonogram: Rue Britannia umfaßt sechs Miniausgaben und ist eine Hommage an den BritPop. Also nichts für mich. Wer trotzdem eine Idee davon bekommen möchte, wie sich hier Pop und Comic auf eine spielerische Art vermischen, der kann bei Image Comics die erste Ausgabe online lesen.
Der zweite Band The Singles Club verfolgt hingegen das Schicksal von sieben Menschen, deren Wege sich in einer einzigen Nacht, um genau zu sein am 23. Dezember 2006, kreuzen. Und zwar im Never-On-A-Sunday, eine Disco über einen Pub in Bristol. Die Regeln für den heutigen Abend: 1. No Boy Singers. 2. You must dance. 3. No Magic.
Ohne jetzt auf die einzelnen Geschichten einzugehen, die sich alle in der ein oder anderen Weise um Liebe und Identität drehen, ist das herausragende an diesem Comic tatsächlich die Darstellung der Vermengung von Musik und Leben bzw. Schicksalen. Und eben auch die Deatilversessenheit mit der die Musikbessenheit dargestellt wird und die natürlich an Hornbys feuchten Männertraum "High Fidelity" erinnern muß. Beispiele lassen sich in folgenden Dialogen finden: "You know what I like about Sleater-Kinney? - They split up. - Yes. Exactly that." Oder auch: "She's Laura Evans. She's my best friend. I've known her since I was - like - six. I liked Take That. She liked East 17. We bonded anyway." Das sind natürlich Fragen, die man sich auch schon in den 70ern gestellt hat: Bist Du für die Stones oder die Beatles? Auf welcher Seite stehst Du? New Order oder Joy Division?
Dieses Comic offenbart vor allen Dingen eine profunde Kenntnis von Musik und ihrer Kultur. Was kein Wunder sein kann, denn einer der Macher, Kieron Gillen, liebt nicht nur PC-Spiele, sondern auch Popmusik und hat sich seine Sporen bei diversen Musikblogs verdient., nachdem er feststellen mußte, daß der NME nichts für ihn ist. Jamie McKelvie hingegen zeichnet für Marvel und DC und laut eigener Aussage für Punkbands, die heiße Mädchen auf ihren Plattencover wollen ...was hoffentlich nicht mehr passiert (oh selige Utopie). Laut Biographien verbindet beide: "a love of Sunderland pop-punk bands of the late nineties and little else."
Als Bonus gibt es im Heft ein Glossary, damit man das ganze Ausmaß dieser Bessesenheit auch nachvollziehen kann. Mit wunderbaren Einträgen zu u.a. den X-Ray Spex: "Listening to X-Ray Spex in 2010 makes me think that X-Ray Spex were the only 70s punk band who really grasped the true horror of the future." Oder auch zu den Supremes: "Diana Ross and the other two." Aber auch eine Covergallery und selbst die einzelnen Cover sind natürlich Flyern nachempfunden.
Kritisch muß ich sagen, daß mir der Zeichenstil und die Farbgestaltung ein wenig zu steril geraten sind. Immerhin geht es hier um Musik und auch unterschiedlichen Musikszenen - wie auch immer diese Szenen nun aussehen. Da hätte ich mir schon ein wenig mehr Ecken und Kanten gewünscht und nicht glatte, auf Hochglanz polierte Zeichnungen. Etwas mehr Punk, etwas mehr Individualität. Aber dafür wurde Wert auf authentische HIintergründe gelegt, bspw. das Belle and Sebastian- und Cat Power Plakat beim leidenschaftlichen Musikliebhaber, dem beim Thema Pop nicht zum Scherzen zu Mute ist. Und letztendlich, was soll ich sagen? Die einzelnen Stories bieten einfach ein zu hohes Identifikationspotential. Denn wie jeden Freitag oder Samstag heißt es "Because tonight is like any other night." (Zitiert nach den Smiths, "I know it's over.") Denn man sieht sich dort, wo schneller Sex Rettung verspricht oder die große Liebe mit jemand anders tanzt und man über die schlechte Musikauswahl der DJs fachsimpelt.
Als Untermalung der Lektüre empfehle ich die Playlist der Never-On-A-Sunday DJs:
Blondie "Atomic"
Ike & Tina Turner "River Deep Mountain High"
Nelly Furtado "Maneater"
Crystal Castles "Air War"
New Young Pony Club "Ice Cream"
Salt-N-Pepa "Push It"
Johnny Boy - "You Are The Generation That Bought More Shoes And You Get What You Deserve" (was ein gottgleicher Titel!)
Casei De Ser Sexy "Let's Make Love And Listen To Death From Above"
Girls Aloud "Graffiti My Soul"
Sleater-Kinney "I Wanna Be Your Joe Ramone"
Kenickie "Can't I Take You To The Cinema"
The Supremes "You Keep Me Hangin' On"
The Pipettes "Pull Shapes"
Robyn "Who's That Girl"
The Knife "We Share Our Mothers' Health"
Elastica "Line Up", "Who's That Girl?"
Interessant wäre es im übrigen auch, noch mal zu schauen, was der Comic an Stereotypen im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis parat hält. Also wie werden die Mädels bzw. Frauen dargestellt und was erfahren wir von den jungen Typen in den Geschichten und werden dabei eventuell Clichés tradiert, die typische für die Musik und ihre Szenen sind. An dieser Stelle ein weiteres Zitat aus einem der großartigsten Indiediscohits:
Ohne jetzt auf die einzelnen Geschichten einzugehen, die sich alle in der ein oder anderen Weise um Liebe und Identität drehen, ist das herausragende an diesem Comic tatsächlich die Darstellung der Vermengung von Musik und Leben bzw. Schicksalen. Und eben auch die Deatilversessenheit mit der die Musikbessenheit dargestellt wird und die natürlich an Hornbys feuchten Männertraum "High Fidelity" erinnern muß. Beispiele lassen sich in folgenden Dialogen finden: "You know what I like about Sleater-Kinney? - They split up. - Yes. Exactly that." Oder auch: "She's Laura Evans. She's my best friend. I've known her since I was - like - six. I liked Take That. She liked East 17. We bonded anyway." Das sind natürlich Fragen, die man sich auch schon in den 70ern gestellt hat: Bist Du für die Stones oder die Beatles? Auf welcher Seite stehst Du? New Order oder Joy Division?
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Als Bonus gibt es im Heft ein Glossary, damit man das ganze Ausmaß dieser Bessesenheit auch nachvollziehen kann. Mit wunderbaren Einträgen zu u.a. den X-Ray Spex: "Listening to X-Ray Spex in 2010 makes me think that X-Ray Spex were the only 70s punk band who really grasped the true horror of the future." Oder auch zu den Supremes: "Diana Ross and the other two." Aber auch eine Covergallery und selbst die einzelnen Cover sind natürlich Flyern nachempfunden.
Quelle: www.phonogramcomic.com |
Als Untermalung der Lektüre empfehle ich die Playlist der Never-On-A-Sunday DJs:
Blondie "Atomic"
Ike & Tina Turner "River Deep Mountain High"
Nelly Furtado "Maneater"
Crystal Castles "Air War"
New Young Pony Club "Ice Cream"
Salt-N-Pepa "Push It"
Johnny Boy - "You Are The Generation That Bought More Shoes And You Get What You Deserve" (was ein gottgleicher Titel!)
Casei De Ser Sexy "Let's Make Love And Listen To Death From Above"
Girls Aloud "Graffiti My Soul"
Sleater-Kinney "I Wanna Be Your Joe Ramone"
Kenickie "Can't I Take You To The Cinema"
The Supremes "You Keep Me Hangin' On"
The Pipettes "Pull Shapes"
Robyn "Who's That Girl"
The Knife "We Share Our Mothers' Health"
Elastica "Line Up", "Who's That Girl?"
Interessant wäre es im übrigen auch, noch mal zu schauen, was der Comic an Stereotypen im Hinblick auf das Geschlechterverhältnis parat hält. Also wie werden die Mädels bzw. Frauen dargestellt und was erfahren wir von den jungen Typen in den Geschichten und werden dabei eventuell Clichés tradiert, die typische für die Musik und ihre Szenen sind. An dieser Stelle ein weiteres Zitat aus einem der großartigsten Indiediscohits:
You bought a new van the first year of your band.
You're cool and I hardly wanna say "not" because I'm so bored
that I'll be entertained even by a stupid, fucking linoleum floor, linoleum floor
Your lyrics are dumb like a linoleum floor
I'll walk on it
I'll walk all over you
Walk on it, walk on it, walk on, One, Two!
You're cool and I hardly wanna say "not" because I'm so bored
that I'll be entertained even by a stupid, fucking linoleum floor, linoleum floor
Your lyrics are dumb like a linoleum floor
I'll walk on it
I'll walk all over you
Walk on it, walk on it, walk on, One, Two!
In diesem Sinne: Books Not Sex!
Nachtrag 1. August 2012: Die Macher haben schon seit geraumer Weile auf Ihrer Website einen dritten Teil von Phonogram angekündigt. In einem Wort: Stoked! Das Ding soll Immaterial Girl heißen und wenn mich nicht alles täuscht, werden wohl die 80ies im Vordergrund stehen. Madonna läßt schon jetzt grüßen.
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