Paradies
Ville Ranta
Comic
| Reprodukt | 72 S., 16 Euro || Eine eigenwillige Interpretation der Schöpfungsgeschichte
liefert der finnische Comiczeichner Ville Ranta mit „Paradies“ ab, eine
Auftragsarbeit für die lutherische Kirche seines Heimatlandes. Die Geschichte
ist bekannt: Adam und Eva werden aus dem Garten Eden vertrieben, nachdem sie
verbotenerweise vom Baum der Erkenntnis genascht haben. Aber welche Rolle
spielt Gott dabei? War er gelangweilt von seiner Schöpfung, hatte genug von der
Einsamkeit, die ihm seine Rolle als allwissender Schöpfer bereitet und hat den
Sündenfall inszeniert? Und was sollen Adam und Eva überhaupt mit ihrer
Erkenntnis anfangen, wenn sie doch immer nur eingesperrt sind? Und welche Rolle
spielt der Tod in dieser Geschichte? Ranta
bietet der Lesenden an, das Buch auf mehreren Ebenen zu lesen. Was
vordergründig unterhaltend wirkt und mit einem satirischen Augenzwinkern daher
kommt, entpuppt sich beim genaueren hinsehen als politische Satire auf
Diktaturen. Oder doch eher ein philosophischer Essay der fragt, was eigentlich
das Recht auf Selbstbestimmung kostet? Sind Grenzübertretungen notwendig und
gerechtfertigt, um seine eigene Freiheit zu erlangen? Gehören Riskiken dazu,
wenn man an Selbstbewußtsein gewinnnen möchte? Um einfache und plumpe Religionskritik,
wie man es vielleicht am Anfang vermuten mag, geht es nicht. In seinem Buch wirft Ranta
existentiell-philosophische Fragen fast spielerisch auf. Sein Stil trägt zu
dieser Leichtigkeit bei. Flüchtig dahingetupfte Farben und fast skizzenhaft
Zeichnungen, von Hand gelettert und manchmal auch ein wenig frivol in der
Darstellung. Und immer mit einem Augenzwinkern versehen. Die Dichte und
Komplexität der gestreiften Themen, die hier so leicht präsentiert werden,
machen „Paradies“ letzendlich zu einem der interessantesten Geschichten, die
mir in der letzten Zeit untergekommen sind.
Für mehr Informationen über Ranta: klick.
Die Mauer - Bericht
aus Palästina
Maximilien Le Roy
Comic
| Edition Moderne | 104 S., 19,80 Euro || Während eines Zeichenworkshops lernt
der französische Comiczeichner und Illustrator Le Roy den Palästinenser Mahmoud
Abu Srour im Flüchlingslager Aida bei
Bethlehem kennen. Beide sind sich auf Anhieb sympathisch, ein Jahr später reist
Le Roy noch einmal in das Palästinensische Autonomiegebiet, um Mahmouds
Geschichte in Worte und Bilder zu fassen. Es handelt sich um eine
Comicreportage, die das persönliche Schicksal Mahmouds und seine politischen
Reflektionen vor dem Hintergrund des israelisch-palästinensischen Konflikts
erzählt: das triste Leben im Flüchtlingslager, die Schwierigkeiten aus der
Autonomiebehörde auszureisen, von Gewalt und Schikane. Mahmoud vergleicht sich
mit dem Vogel im Käfig, eingesperrt und seiner Freiheit beraubt. Der Stil den
Le Roy wählt ist eklektisch. Vergangene Episoden werden in einfachen
schwarz-weiß Bildern erzählt. Vorherrschend ist die Gegenwart, die eintönig und
trist in einem schlammigen Grün koloirert wurde. Durchbrochen von fast
kindlichen farblichen Zeichnungen, die oftmals Wünsche und Interpretationen
Mahmouds zeigen. Mit einer Ausnahme: die Zerstörung des eigen bewirtschafteten
Landes durch israelische Soldaten, um eine israelische Siedlung aufzubauen.
Interessant ist vor allen Dingen wie Le Roy historische Bilder verwendet. Da
wäre das der Kim Phuck, die als nacktes Mädchen, das während des
Vietnamskrieges vor einem Napalmangriff wegrennt, berühmt geworden ist. Dieses
Bild genießt ikonischen Staturs und wird oft losgelöst vom historischen
Referenzrahmen genutzt, Emotionen beim Leser/Leserin zu wecken. Allerdings wird
dabei allzu oft vergessen, dass es sich hierbei um ein friendly fire handelt
und es eigentlich nicht dazu taugt, Gewalttätigkeit des Gegners zu kritisieren.
Diese Reportage bietet also Gesprächsstoff für beide Lager:
PalästinenserbefürworterInen und IstraelunterstützerInen. Lesenswert somit alle
Mal.
Für mehr Informationen über den Autor - hier
Rezension in der TAZ
Rezension und Vergleich mit thematisch verwandten Comics (u.a. Guy Delisles großartiges Aufzeichnungen aus Jerusalem) in der Süddeutschen
Leseprobe auf der Seite der Edition Moderne
Ein philosopisch
pornografischer Sommer
Jimmy Beaulieu
Comic | Schreiber & Leser | 288 S., 22,80
Euro || Der Comic als ein modernes Sittengemälde der kanadisch-frankophonen
Gesellschaft, in der man in Kunst macht und sämtliche Spielarten der Sexualität
ausprobiert. Leichtfüßig und spielerisch kommen die Zeichnungen daher und
reflektieren somit auch die Handlung. Louis, Autor in der Schaffenskrise, kauft
sich ein altes Hotel und lädt ein bekanntes Paar ein, den Sommer mit ihm und
seiner Freundin dort zu verbringen. Und selbst für die, die in der Stadt
bleiben, sind die Beziehungskisten kompliziert. Die erotischen Bindungen und
Spannungen dominieren die Handlung: Wer kann mit wem und wie? Der Phantasie
sind keine Grenzen gesetzt. Und doch empfinde ich, dass das Buch stellenweise
den Hauch von positivem Sexismus atmet, z. B.: „Eine Frau zeichnen, das ist für
mich wie Dessert essen. Einen Mann zeichnen ist wie ein Formular ausfüllen.“ Um
ein völlig emanzipiertes Bild von Sexualität zu zeichnen, hätten die beiden
Männer doch auch mal miteinander und nicht nur passiv in die Rolle von Voyeure
schlüpfen müssen, die sich am lesbischen Sex ihrer Freundinen erfreuen. Trotzdem
gebe ich zu, dass die weibliche Sexualität insgesamt als stark und emanzipiert
präsentiert wird. Insgesamt ist der Comic ein netter Zeitvertreib, hinterläßt
aber keinen bleibenden Eindruck, dafür fehlt es mir dann doch an Handlung und
Tiefe.
Autorenseite bitte hier entlang: klick
Leseprobe bei Schreiber & Leser, auf deren Seite sich auch ein ständiges Update der Rezensionen zum Comic befindet
We are not armed.
Südafrika jenseits der Apartheid
Gregor Straube und
Bert Dahlmann (Hrsg.)
Comic | Edition Panel | 33 S., 4,80 Euro || Bei
dem vorliegenden schmalen Bändchen handelt es sich um einen Ausstellungskatalog
in Form eines Comics zu der Wanderausstellung „We are not armed – Don´t shoot“.
Hier wird die Möglichkeit geboten, sich mit der südafrikanischen Comicszene
auseinander zu setzen. Im wesentlichen scheint es sich hierbei um Zeichner und
Zeichnerinen aus dem Bitterkomix –
Umfeld zu handeln, wohl eines der bekanntesten Organe der südafrikanischen
Comicszene. Das Heftchen zeigt wunderbar die Vielgestaltigkeit und
unterschiedliche Herangehensweise der einzelnen KünsterlerInen. Das Thema, das
alle vereint und wohl auch inspiriert, ist die Kolonialvergangenheit Südafrikas,
Folgen der Apartheid und ethnische Unterschiede im Alltag. Natürlich werden
einem nicht alle vorgestellten Arbeiten gefallen, aber der Band wirft Licht auf
eine Szene, die vielen nicht bekannt sein dürfte und ist allein deswegen
lohnenswert. Hervorragend beispielsweise: Der Comicstrip „The Richenbaums“ der
Trantraal Brüder thematisiert das alltägliche Leben in den Townships und
zeichnet sich durch einen verspielten Stil (Daniel Clowes ähnlich), aber
trockenen Humor aus. Wunderbar auch die bitterböse Tim und Struppi Parodie des Bitterkomix Herausgebers Joe Dog.
Leseproben finden sich auf der Verlagsseite von Edition Panel
Die Facebookseite der Trantraal Brothers
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