Chronik einer
verschwundenen Stadt
Golo & Dibou
Quelle Avant-Verlag |
Comic |
Avant-Verlag | 208 S., 24,95 Euro || Ägypten – Götter, Gräber und Gelehrte, Fixstern
meiner Kindheit. Als Kind blätterte ich eifrig in den Was ist Was-Bänden zu den
alten Ägyptern und zu den Mumien, erklärte kurzerhand Hatschepsut und Kleopatra
zu meinen Heldinen und wünschte mir nichts sehnlicher als die Pyramiden zu
sehen. Auch Dibou und Golo erliegen dem Charme Ägyptens und kehren 15 Jahre
lang immer wieder nach Qurna zuürck, ein Dorf das in Oberägypten lag. Ein
Ergebnis ihrers Aufenthalts ist der vorliegende Comicband. Denn das Qurna, das
die beiden kennenlernten, ein Dorf, in dem die Zeit still zu stehen stand, wurde
von Baggern 2010 komplett abgerissen. Minutiös zeigen beide auf, wie der
Massentourismus immer weiter in dieses Biotop eindringt und es schliesslich
zerstört. Die Kritik: „Sie leben in der Illusion, Teil einer wohlhabenden Elite
zu sein, die Zugang zu Kultur hat und selbst einer Hochkultur angehört, welche
die Technik, den Raum, die Zeit behersscht... In Wahrheit sind sie Proletarier
mitten bei der Arbeit. Sie arbeiten für die Tourismusbranche auf den untersten
Posten...“. Das sitzt. Auch die Altertümerverwaltung ist nicht unschuldig an
den Entwicklungen, so wie der Staat, der diese Entwicklungen skrupelos
unterstützt und über die Köpfe der Qurnavis entscheidet. Doch das Buch
porträtiert auch das alltägliche Leben in Ägypten, zeigt, wie unterschiedliche
Kulturen auf einanderprallen. Der Zeichenstil erinnert an Crumb, doch ist der
Band viel mehr eine Collage, aus Zeichnungen, Fotos und Briefen. Der
Realitätsgehalt scheint authentifiziert. Das ist kein einfacher Comic, es ist
ein Requiem auf eine verlorene Stadt.
Mehr über Golo auf Wikipedia
Rezension von Herrn Platthaus in der FAZ
Ausführliche Rezension , die noch andere Aspekte des Bands hervorhebt, von Hans Mauritz
Leseprobe auf der Avant Seite
Im Land der
Frühaufsteher
Paula Bulling
Quelle Avant-Verlag |
Comic |
Avant-Verlag | 120 S., 17,95 Euro || „Im Land der Frühaufsteher“, der Slogan
mit dem Sachsen-Anhalt wirbt, und all die positiven Konnotationen, die damit
verbunden sind, muss für Asyl suchende Menschen wie ein Hohn klingen. Bulling
berichtet in ihrem Comic über deutsche Zustände, Zustände die unmenschlich sind
und Irritation hervorrufen. Sie verleiht den Menschen eine Stimme und ein
Gesicht, die oft nur geduldt werden. Durch persönlich Gespräche mit Betroffnen
und Recherche vor Ort vermittelet sie ein authentisches Bild vom Leben als
GeduldeteR. Ein Leben, das geprägt ist vom alläglichen Rassismus und absurden
Gesetzen wie der Residenzpflicht, die einmalig in Europa ist. Die
Residenzpflicht besagt, dass der oder die Asylsuchende sich nur in dem
Landkreis/Bezirk aufhalten darf, in dem die für ihn bzw. sie zuständige
Asylbehörde liegt. Eindrucksvoll schafft die Zeichnerin der Leserin zu
vermitteln, wie fremd man sich in einem Land vorkommen kann, wenn man die
Sprache nicht spricht. Über mehrer Seiten zeigt sie ein Gespräch von
EinwohnerInen in einem Heim, die sich auf Mòoré unterhalten, ohne der Leserin
eine Übersetzung anzubieten. Ihre eigene Position als weisse, privilegierte
Comiczeichnerin reflektiert sie ebenfalls und demonstriert damit, dass sie sich
intensiv mit dem Thema und seiner Darstellung auseinander gesetzt hat. Gleiches
gilt auch für Lettering und die künstlerische Gestaltung. Beide kommen oft
sperrig daher und erschweren zunächst die Zugänglichkeit, doch sind sie der
Sache angemessen und spiegeln letzendlich nur die Thematik wieder.
Seite der Autorin Paula Bulling
Der Band wurde bereits ausführlich in der Presse besprochen, u. a. in der Jungle World eine Rezension verfasst von Georg Seesslen (der Artikel beschäftigt sich auch mit dem Comic von Sophia Martineck und bespricht diesen positiv)
Als Buchtipp bei Radio Bremen
Leseprobe auf der Avant Seite
Hühner, Porno,
Schlägerei
Sophia Martineck
Comic |
Avant-Verlag | 52 S., 14, 95 Euro || Heidi
von der Alm steht für die Sehnsucht einer heilen Welt, die Idylle in der Natur.
Raus in die Stadt und rein ins Grüne. Dort wo die Welt noch in Ordnung ist. Die
Alm ist zwar nicht zwangsläufig ein Dorf, aber doch mit ähnlichen Stereotypen
verhaftet. – Ich selber bin einem Dorf
groß geworden und weiß die Vorzüge einer Jugend, die man im Wald verbringt
oder auf Fußballplätzen, zu schätzen. Doch auch ich kannte all die Geschichten:
ständige Besäufnisse auf Schützenfeste, Schlägereien und Bordellbesuche haben
auch hinter der Fassade statt gefunden. Wenn Martineck von Mord und Totschlag
erzählt, von Sodom und Gomorrah und der heilen Welt auf dem Dorf, tut sie
das ironisch, distanziert. Inspiration
fand die Zeichnerin in der Lokalpresse, die all die Schicksale sammelt. Niederböhna,
Ort der Handlung, ist nur die Blaupause für all die anderen idyllisch-gemeinen
Dorfplätze Zugegeben clever arrangiert
sie die Bilder zum Text, oftmals karikierend. Das Buch mag der eine als Hommage
an das wilde Leben auf dem Dorf verstehen, die andere mag es vielleicht
erschüttern, dass Heidi nur Fiktion ist. Ich selber war eher froh, dass das Buch
mit 52 Seiten kurz ist, denn für mich brachte es nur das Offensichtliche zu
Tage: Leben ist überall gleich.
Die Seite von Sophia Martineck
Wie bereits beim Comic von Paula Bulling verweise ich auf die Rezension von Georg Seesslen in der Jungle World, der im Gegensatz zu mir gefallen an dem Band fand
Hier noch ein kurzer Clip auf YouTube von zdf.kultur
Hier noch ein kurzer Clip auf YouTube von zdf.kultur
Leseprobe auf der Avant Seite
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